Gerste - Hordeum vulgare

Die Gerste (Hordeum vulgare) ist eine Pflanzenart und gehört zur Gattung Hordeum der Familie der Süssgräser (Poaceae). Sie ist eine der wichtigsten Getreide-Arten.
Gerste ist ein einjähriges Gras, das Wuchshöhen von 0,7 bis 1,2 m erreicht. Die Pflanze ist glatt und unbehaart. Der Halm ist aufrecht. Die wechselständig und zweizeilig (distich) angeordneten Laubblätter sind einfach und parallelnervig. Die flache Blattspreite weist eine Länge von 9 bis 25 cm und eine Breite von 0,6 bis 2 cm auf. Morphologisches Erkennungsmerkmal sind die zwei langen, unbewimperten Blattöhrchen der Blattscheide, die den Halm vollständig umschliesst. Das schmale und leicht gezähnte Blatthäutchen (Ligula) ist 1 bis 2 mm lang.
Der ährige Blütenstand besitzt eine flexible, also nicht zerbrechliche Rhachis, darin unterscheidet sie sich von den anderen Hordeum-Arten. Die in Reihen stehenden, ungestielten Ährchen sind alle gleich und fertil. Die Ährchen enthalten meist nur eine Blüte (selten zwei). Die Hüllspelze ist lineal-lanzettlich. Die Grannen sind 8 bis 15 cm lang.
Der ährige Fruchtstand mit langen Grannen ist im reifen Zustand geneigt bis hängend. Botanisch betrachtet sind die Körner Karyopsen (also einsamige Schliessfrüchte).
Gerste wird anhand der unterschiedlichen Ähren in zwei- und mehrzeilige Formen unterschieden. Die zweizeiligen Formen entwickeln pro Ansatzstelle nur ein Korn, das voll und kräftig ausgeprägt ist. Bei den mehrzeiligen Formen treten drei Körner pro Ansatzstelle auf, die sich schwächer entwickeln. Zweizeilige Gerstensorten (überwiegend Sommergerste), finden vorwiegend bei der Bierherstellung als Braugerste Verwendung (Malz). Vier- und sechszeilige Gerstensorten sind überwiegend Wintergerstensorten, die im Herbst gesät werden und eine Vernalisation zum Schossen benötigen. Durch effektive Nutzung der Winterfeuchtigkeit sind die Erträge höher und die Nährstoffe günstig für die Verwendung als Futtergerste.
Ursprungsgebiete der Gerste sind der Vordere Orient und der östliche Balkan. Die ältesten Nachweise von Gerste lassen sich bis 15000 v. Chr. zurückdatieren; Gerste, Einkorn und Emmer waren die ersten vom Menschen gezielt angebauten Getreidearten. Ab 7000 v. Chr. begann die systematische Zuchtauswahl und seit der Jungsteinzeit (5500 v. Chr.) wird auch in Mitteleuropa Gerste angebaut. Bei Wildgerste fallen die reifen Körner aus der Ähre und müssen mühsam aufgesammelt werden. Kulturgerste entstand durch eine (wahrscheinlich nicht gezielte) Auslese der Menschen, die bevorzugt eine Mutation ernteten und pflegten, bei der die reifen Körner in der Ähre blieben und „auf die Ernte warteten“.
Im Mittelalter wurde die Gerste als ertragreiches Viehfutter geschätzt. Dank der Züchtungserfolge in Richtung anspruchsloserer (was die Bodenqualität anbelangt) Sorten können die Erträge mit denen von Weizen konkurrieren. Gerste ist ein klassisches Getreide der Antike. Sie wurde vor mehr als 8000 Jahren im Zweistromland und am Nil angebaut. Sie ist eng verwandt mit der im Nahen Osten vorkommenden Wildgerste (Hordeum vulgare subsp. spontaneum).
Neben der Qualitätssteigerung versuchte die Züchtung, auch eine technisch besser handhabbare grannenlose Gerste zu erzeugen. Dies ist zwar gelungen (Sorten wie Ogra, Nudinka), die Form hat sich aber nicht durchgesetzt. Hierbei darf nicht vernachlässigt werden, dass auch die Granne photosynthetisch aktiv ist.
Unterarten und Varietäten
Wildgerste (Hordeum vulgare subsp. spontaneum)
Kulturgerste (Hordeum vulgare L. subsp. vulgare):
Zweizeilige Gerste (Hordeum vulgare f. distichon)
Mehrzeilige Gerste:
Rollgerste (Hordeum vulgare f. hexastichon)
Hordeum vulgare f. agriochriton
Hordeum vulgare var. coeleste L.
Hordeum vulgare var. trifurcatum (Schlechtendal) Alefeld
Nutzung und wirtschaftliche Bedeutung[Bearbeiten]

Die wirtschaftliche Bedeutung von Gerste ist geringer als die der Getreidearten Weizen, Mais und Reis.
Wintergerste wird überwiegend als Tierfutter verwendet (Futtergerste), sie zeichnet sich gegenüber der Sommergerste durch höhere Erträge und mehr Eiweiss (12–15 %) aus.
Für die menschliche Ernährung kommt überwiegend Sommergerste als Braugerste zum Einsatz. In nicht gemälzter Form wird Gerste zu Grütze bzw. Graupen verarbeitet und gelegentlich auch zu Mehl gemahlen.
Der Gerste werden auch Heilwirkungen zugesprochen. Gerstenwasser, auch als Tisane bezeichnet, war im 19. Jahrhundert ein beliebtes Getränk für Kranke. Schösslinge wirken entwässernd und fiebersenkend. In Japan und Korea wird Gerstentee getrunken.
Als Nachwachsender Rohstoff wird Gerste bisher kaum genutzt. Die Körner könnten als Quelle für Stärke genutzt werden. Durch Züchtung konnte der für technische Nutzungen interessante Anteil verzweigtkettiger Stärke Amylopektin auf über 95 % der Gesamtstärke erhöht werden.
Da die Körner mit den Spelzen verwachsen sind, besitzt die Gerste einen hohen Zelluloseanteil (8–15 %). Ohne Spelzen enthalten Gerstenkörner 60–70 % Kohlenhydrate, überwiegend in Form von Stärkeund 11 % Proteine, 10 % Ballaststoffe, je 2 % Fett und Mineralien sowie das Vitamin B. Gerste enthält Gluten, was bei Personen mit Glutenunverträglichkeit zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Da Bier u. a. aus Gerstenmalz gebraut wird, wird diesen Personen oftmals auch empfohlen, den Bierkonsum zu reduzieren.
Produkte aus geschälten Gerstenkörnern[Bearbeiten]
Gerstengrütze Hierfür werden die geschälten Gerstenkörner zu Grütze geschnitten. Grütze wird in unterschiedlicher Körnung in den Handel gebracht.
Graupen (auch: Rollgerste oder Kochgerste) erhält man durch Schleifen der Gerstenkörner, wobei auch die Spitzen gerundet werden. Am bekanntesten sind die „Perlgraupen“. Dazu wird Grütze auf Schleifmaschinen bearbeitet, bis sie ihre rundliche Form erhalten.
Gerstenflocken werden aus hydrothermisch behandelten Gerstenkörnern gewalzt.
Gerstenmehl wird durch die Vermahlung von Gerstenflocken hergestellt.
Gerstenkaffee / Malzkaffee als koffeinfreies Kaffee-Ersatzgetränk.
Tsampa ist ein Pulver aus gerösteten und gemahlenen Gerstenkörnern, ein tibetisches Grundnahrungsmittel.
Gerstenstroh ist im Vergleich zum Weizenstroh zwar weicher und saugfähiger, aber als Einstreu nur bedingt geeignet. Reste von Grannen können bei empfindlichen Tieren (Pferde, Schweine) u.a. zu Reizungen der Atemwege führen.
Gerstengras wird häufig bei der Tiermast eingesetzt. Aufgrund des hohen Nährstoffgehalts findet es auch Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel. Dabei werden die Blätter der jungen Gerstenpflanze gefriergetrocknet. Dieses Pulver wird in kühlem Wasser aufgelöst und eingenommen. Der Geschmack erinnert ein wenig an verdünnten Spinat.
Da ein Gerstenkorn eine relativ konstante Größe hat, bildete es früher die Grundlage für einige Masse und Gewichte, siehe Gerstenkorn (Einheit).
Die Gerste zählt zu den Selbstbefruchtern; man unterscheidet zwischen Winter- und Sommergerste. Wintergerste, die im September gesät wird, ist ertragreicher. Ideale Wachstumsbedingungen für die Wintergerste sind Temperaturen unter 10 °C. Bei länger anhaltenden Temperaturen unter -15 °C erfriert die Wintergerste. Die Ausbildung von Nebentrieben (Bestockungstriebe) ist vor dem Winter abgeschlossen. Aus ihnen entwickeln sich im nächsten Frühjahr die Ähren tragenden Halme. Gerste gedeiht am besten auf tiefgründigen, gut durchfeuchteten Böden, aber auch mit ungünstigeren Bedingungen kommt sie zurecht. In der Regel beginnt die alljährliche Getreideernte mit der Wintergerste.
Die Aussaat der Sommergerste erfolgt im Frühjahr. Sie reift in weniger als 100 Tagen heran. Nach den Phasen der Bestockung, des Schossens und des Ährenschiebens folgen Blüte und Ernte.
Die Ernte erfolgt bei Voll- bis Totreife. Wintergerste liefert je nach Standort zwischen 50 und 90 dt/ha, Sommergerste 40-65 dt/ha Fruchtertrag. In Deutschland wird die Wintergerste auf ca. 1,24 Mio. Hektar angebaut, während die Sommergerste auf ca. 0,5 Millionen Hektar angebaut wird.
Das Gelbverzwergungsvirus und das Barley stripe mosaic Virus sind die bedeutendsten Viruskrankheiten der Gerste.
Der Echte Mehltau (Blumeria graminis) ist die wirtschaftlich wichtigste Pilzkrankheit der Gerste in Mitteleuropa.
Schwarzrost (Puccinia graminis)
Braunrost (Pucciniahordei)
Gerstenflugbrand (Ustilago hordei)
Schädlinge[Bearbeiten]
Die Gerste wird von verschiedenen Nematodenarten befallen.
Wichtige Schädlinge an der Gerste sind Läuse, v.a. als Virusvektoren.
Wie alle Getreidearten muss auch Gerste vor der Einlagerung auf Feuchtigkeit überprüft werden, da ansonsten Schimmelbefall droht – Mykotoxingefahr. Die Obergrenze der Kornfeuchte liegt für die Einlagerung bei 15 %.