Armschwingen (Remiges secundarii)

Als Armschwingen werden die großen Federn am Arm des Vogelflügels bezeichnet. Armschwingen SperberSie sind an der Elle befestigt und bilden die Tragfläche des Flügels. Die Anzahl der Armschwingen hängt von der Länge der Elle ab. Bei Segelfliegern ist diese verlängert. So reicht die Anzahl der Armschwingen von sechs bei den Kolibris bis zu 40 bei den Albatrossen.
Die Nummerierung erfolgt im Allgemeinen vom Carpalgelenk nach innen, also vom distalen zum proximalen Bereich.
Die inneren drei (bei Sperlingsvögeln) oder fünf (bei Limikolen) Armschwingen sind meist anders geformt und liegen über dem zusammengelegten Vogelflügel um diesen zu schützen. Sie werden auch als Schirmfedern bezeichnet.

Flügel

Flügel sind bei den meisten Vögeln zum Fliegen dienende Bewegungsorgane, die durch Umbildung der Vordergliedmassen entstanden sind. Beim Fliegen wird mit ihnen Auftrieb und Vortrieb erzeugt.

Flügel Skelett

Skelett

  1.  Sitz folgender Federn: Handschwingen, Handdecken, Daumenfittich
  2.  Sitz folgender Federn: Armschwingen, Grosse Armdecken, Mittlere Armdecken, Kleine  Armdecken 
  3. Sitz folgender Federn: Schirmfedern, Schulterfedern
  4.  Schulterblatt (Scapula)
  5.  Rabenbein oder Rabenschnabelbein (Coracoid)
  6.  Oberarmknochen
  7.  Speiche (Radius)
  8.  Elle
  9.  Handwurzelknochen an der Speiche (Os carpi radiale)
  10. Daumen (Digitus alulae)
  11. Handwurzelknochenan an der Elle (Os carpi ulnare)
  12. und 13 Carpometacarpus, ein Knochen aus verschmolzenen Handwurzelknochen (Os   metacarpale minus)
  13. und Mittelhandknochen (Os metacarpale majus).
  14. Digitus minor
  15. Grundglied des Digitus major
  16. Endglied des Digitus major

 

Da die Flügel der Vögel umgebildete Vorderextremitäten sind, besteht das Flügelskelett, wie die Vorderextremitäten anderer Landwirbeltiere, aus einem Oberarmknochen {6}, den Unterarmknochen Elle {8} und Speiche {7} sowie den Handknochen{12 und 13}. In Anpassung an die geänderte Funktion des Fliegens haben sich diese Knochen stark verändert.

Bei angelegtem Flügel ist der meist kräftig ausgebildete Oberarmknochen waagerecht gestellt. Die Elle ist kräftiger als die Speiche und dient als Insertionsstelle der Armschwingen. Die Elle liegt ventral zum Speiche, beide Knochen liegen bei angelegtem Flügel parallel zum Humerus.

Flughäute und Flügelmuskeln einer Gans

Flughäute und Flügelmuskeln einer Gans

Propatag.   = Propatagium, vordere Flughaut
Metapatag. = Metapatagium, hintere Flughaut
Lig.           = Randligament
Elast. sec.  = Bindegewebiges Band, das die Arm- und Handschwingen in Position hält
Exp. sec.   = Expansor secundariorum
Pt. lg.        = Musculus tensor patagii longus
Pt. br.       = Musculus tensor patagii brevis
Bi.            = Musculus biceps brachii
Tri.           = Musculus triceps brachii
Pector.      = Musculus pectoralis


Die stärksten Veränderungen haben die Handknochen der Vögel erfahren. Von den zahlreichen Handwurzelknochen (Ossa carpi) wie sie bei anderen Wirbeltieren vorhanden sind, sind nur noch zwei vorhanden, das Os carpi radiale und das Os carpi ulnare.
Die bei der Entwicklung noch angelegten distalen Handwurzelknochen (Ossa carpalia distalia) verwachsen zum einen miteinander und zum anderen mit den proximalen Enden der ursprünglich drei Mittelhandknochen (Ossa metacarpalia), die damit nur noch einen Knochen bilden, zum Carpometacarpus. Der Carpometacarpus bildet eine Knochenspange. Der dickere Ast dieser Spange (vermutlich der zweite Mittelhandknochen) wird als Os metacarpale majus bezeichnet, der dünnere Ast (vermutlich der dritte Mittelhandknochen) als Os metacarpale minus.

Die Anzahl der Finger ist auf drei reduziert:

  • Der Daumen (Digitus alularis) besteht nur aus einem Fingerknochen, der Phalanx digiti alulae.
  • Ein größerer Finger, der Digitus major, besteht aus zwei Fingerknochen (Phalanx proximalis und Phalanx distalis digiti).
  • Ein kleiner Finger, der Digitus minor, besteht aus einem Knochen (Phalanx digiti minoris).

Die von innen nach außen gezählten Handschwingen 1 bis 6 setzen am Carpometacarpus an, die Handschwingen 7 bis 10 an den zwei Fingerknochen des Digitus major.
Flughäute verspannen die verschiedenen Flügelteile miteinander, füllen die Freiräume zwischen den Knochen aus und begrenzen den Flügelkern nach vorne und hinten. Am wichtigsten sind die vordere Flughaut, die hintere Flughaut und das große Randligamend zwischen Ellenbogen und Mittelhandknochen.

Anordnung der Federn am Flügel 1 Handschwingen
 2 Handdecken
 3 Daumenfittich
 4 Armschwingen
 5 Grosse Armdecken
 6 Mittlere Armdecken
 7 Kleine Armdecken
 8 Schirmfedern
 9 Schulterfedern

Die Schwungfedern sind die grössten Federn am Flügel und werden nach Insertionsort in Handschwingen und Armschwingen unterteilt. Ein bindegewebiges Band hält sie in der richtigen Position. Sie greifen dachziegelartig ineinander. Die beiden Federfahnen sind ungleichmäßig breit, so dass der Luftzug dazu führt, dass die Federn sich beim Schlag nach oben so drehen, dass die Luft zwischen den Schwungfedern hindurchstreichen kann. Wenn der Flügel wieder nach unten schlägt, drehen sie sich zurück und bilden eine geschlossene Fläche. Die Schwungfedern sind bei flugunfähigen Vögeln meist stark reduziert.

Die Schwungfedern werden an den Basen von mehreren Reihen kleinerer Decken überdeckt, so dass ein vollkommener Schluss des Flügels hergestellt wird.

Die kleinen, vom Daumen getragenen Federn an der Vorderkante des Flügels werden Daumenfittich genannt und bei hoher Fluggeschwindigkeit zum Steuern und Bremsen benutzt.
Die zusammengefalteten Flügel werden von oben gesehen zum großen Teil von den Schirmfedern bedeckt.

Muskulatur, Sehnen und Bänder des VogelflügelsEtwa 50 verschiedene Muskeln tragen zu den Bewegungen der Flügel bei. Die beiden grössten davon nennen sich Brustmuskel und setzen am Brustbeinkamm (Crista sterni) an. Oberflächlich liegt der Grosse Brustmuskel (Musculus pectoralis major oder Musculus pectoralis superficialis). Wenn er sich zusammenzieht, wird der Flügel nach unten gezogen und nach vorne unten gedreht. Er ist der grösste Muskel des Vogels.

Der Kleine Brustmuskel (Musculus pectoralis minor, Musculus pectoralis profundum oder Musculus supracoracoideus) liegt weiter unter der Oberfläche direkt über den Rippen und zieht vom Brustbeinkamm durch das Dreiknochenloch (Foramen triosseum) zur Oberseite des Oberarmknochens (Humerus). Das Dreiknochenloch liegt zwischen drei Knochen des Schultergelenks, also zwischen dem Rabenbein (Coracoid), dem Schulterblatt (Scapula) und dem Gabelbein (Furcula). Wenn sich der Kleine Brustmuskel zusammenzieht, wird der Flügel dadurch angehoben.
Der kleine Brustmuskel wird durch den Deltamuskel (Musculus deltoideus) unterstützt, der den Flügel ohne eine Kraftumleitung durch das Dreiknochenloch direkt nach oben zieht und gleichzeitig die Drehung des Flügels nach vorn unten rückgängig macht. Daneben spannt der Deltamuskel die vordere Flughaut. Der Deltamuskel setzt sich aus zwei Teilen zusammen, dem Musculus deltoideus anterior und dem Musculus deltoideus posterior. Bei Singvögeln ist sein Hauptanteil stark reduziert oder fehlt. Am Flügel selber befinden sich noch viele kleinere Muskeln, die die genaue Stellung des Flügels kontrollieren. Der Musculus rhomboideus zieht den Flügel nach vorne, Musculus latissimus dorsi zieht den Flügel nach hinten. Musculus biceps brachii und Musculus triceps brachii ziehen die Flügel nach vorne und hinten. Musculus extensor carpi und Musculus flexor carpi strecken und beugen das Handgelenk. Die Finger werden durch Musculus extensor digiti und Musculus flexor digiti gestreckt und gebeugt. Weitere Muskeln bewegen die einzelnen Finger.

Mit Hilfe der Federn wird ein stromlinienförmiges Profil erzeugt, das unter einem Anstellwinkel von etwa fünf Grad angeströmt wird. Auf der Unterseite entsteht so ein Überdruck, der den Flügel und damit den Vogel nach oben drückt. Eine technische Umsetzung des Vogelflugs erfolgt im Ornithopter.

Mauser

Mit Mauser, Mauserung, Rauhe oder Ruhr bezeichnet man den Federwechsel der Vögel. Alle Vögel mausern, meist zu bestimmten Zeiten, einmal im Jahr das Grossgefieder (Schwingfedern und Schwanzfedern) sowie das Kleingefieder. Gewisse Vogelarten wechseln in einer Teilmauser ihr Kleingefieder zweimal im Jahr. Bei vielen der heimischen Vogelarten erfolgt die Hauptmauser nach der Brutzeit. Das oft sehr komplizierte Mauserverfahren läuft bei einzelnen Arten recht unterschiedlich ab. Einige Vögel, z.B. Hühnervögel, Enten, Rallen und Taucher, mausern sehr schnell, d.h., sie verlieren sehr viele Grossfedern gleichzeitig. Obwohl sie dadurch nicht mehr voll flugfähig sind, sind sie kaum gefährdet und auch bei der Nahrungssuche nicht behindert. Mit der Mauser ist häufig auch eine Farbänderung des Federkleides verbunden. Erpel tauschen z.B. ihr z.T. sehr farbenfrohes Prachtkleid (Brutkleid), das sie im Winter und im Frühsommer tragen, im Hochsommer gegen ein Schlichtkleid ein, das dem Gefieder des Weibchens ähnlich ist. Andere Vögel, die flugfähig bleiben müssen, um ihren Feinden zu entgehen oder um ihre Nahrung erbeuten zu können (z.B. die Greifvögel), mausern langsam. Sie verlieren nur wenige Federn. Erst wenn diese wieder durch neue ersetzt sind, fallen weitere aus. Für die Falknerei spielt die Mauser eine besondere Rolle, da die Beizvögel während dieser Zeit für die Beizjagd nicht brauchbar sind. Um kräftige Federn bilden zu können, muss der Beizvogel während der Mauser soviel der Besten Atzung wie möglich aufnehmen. Zu Beginn der Mauser wird er völlig frei ins Mauserhaus (Falkenkammer) gestellt, um ihn dort bei bester Atzung in Ruhe mausern zu lassen. Die Mauser dauert etwa ein halbes Jahr und beginnt bei den Habichten und bei den Falken Mitte bis Ende März bzw. Anfang April, bei den Jungvögeln (Nestling, Ästling) jedoch in der Regel gegen Ende ihres ersten Lebensjahres (Mai/Juni). Zu Beginn des Herbstes gefangene Wildfänge im Jugendkleid beginnen manchmal schon im April, meist aber erst im Mai/Juni zu mausern. Je später sie gefangen wurden, desto später beginnen sie im darauffolgenden Jahr zu mausern. Besonders spät beginnt der Federwechsel bei Hagarden, die zum ersten Mal in Gefangenschaft mausern. In den darauffolgenden Jahren beginnen sie aber jedes Jahr früher damit.

Handschwingen

Als Handschwingen (Remiges primarii) werden die äußeren, großen, kräftigen und stabilen Handschwingen, Alula und große Handdecken eines Sperbermännchens (Sprinz)Federn des Vogelflügels bezeichnet. Sie sitzen am Mittelhandknochen (Carpometacarpus) und am Knochen des dritten und zweiten Fingers des Flügels.
Die Zahl der voll ausgebildeten Handschwingen beträgt meist zehn, maximal 11 (z.B. Lappentaucher). Bei einigen Vogelgruppen wie den Sperlingsvögeln ist die äußerste Handschwinge deutlich reduziert. Unabhängig davon wird oft an der Spitze des zweiten Fingers zusätzlich eine kleine Feder ausgebildet, das Remicle.

Die Nummerierung erfolgt im Allgemeinen vom Handgelenk (Carpalgelenk) nach außen, also vom proximalen zum distalen Bereich. Die Länge der Knochen der Handschwinge in Bezug zur gesamten Flügellänge wird beim Handflügelindex als Mass für die Leistungsfähigkeit des Vogels beim Fliegen genutzt.

Die Länge der Handschwingen wird nach außen zunächst größer und dann wieder deutlich kleiner. Die Lage der längsten Feder hängt vom Flugtyp ab und liegt zwischen der fünften (z.B. Meisen) und neunten (z.B. Mauersegler) Handschwinge. Generell werden die Federn von innen nach außen spitzer. Die Federn sind deutlich asymmetrisch geformt. Die Aussenfahnen werden von innen nach außen schmaler, die Innenfahnen breiter. Bei vielen Vogelarten zeigen die äußeren Handschwingen im oberen Teil aus aerodynamischen Gründen starke Einbuchtungen an den Aussen- und/oder Innenfahnen.

Steuerfedern

Als Steuerfeder (Rectrices) bezeichnet man die Schwanzfeder bei Vögeln. In der Jägersprache werden die Steuerfedern Stoß genannt.Steuerfedern Sperber Sprinz
Die Länge der Steuerfedern im Verhältnis zur Form der Flügel ist ein wesentliches Merkmal im Flugbild und erlaubt Rückschlüsse auf die Flugweise eines Vogels. Das Steuer, wie die Zusammenfassung der Steuerfedern genannt wird, kann mehrere Funktionen haben:

  • Steuerung im Flug;
  • Balance im Sitzen und Laufen;
  • Stütze beim Klettern z.B. Spechte und Baumläufer;
  • Lauterzeugung bei der Balz wie bei der Bekassine;
  • Signalwirkung durch Form und Farbe bei der Balz z.B. Birkhuhn, Pfau und Leierschwanz.

Einige Arten haben lediglich rudimentäre Steuerfedern wie der Lappentaucher. Die Steuerfedern sind in der Regel paarig angelegt. Ausnahmen bilden Kiwis, Emus und Kasuare. Die meisten Arten haben sechs Paar, es gibt aber auch Arten mit nur vier wie bei den Laufhühnchen oder im anderen Extrem 16 Paar Steuerfedern wie der Bulwerfasan.
Auf dem Bild ist deutlich zu sehen, wie sich das Verhältnis der Breite von Innen- zu Aussenfahne von innen nach außen verändert.

Literatur

  • Wolf-Dieter Busching: Handbuch der Gefiederkunde europäischer Vögel. AULA-Verlag, Wiesbaden 1997, ISBN 3-89104-570-0