Moderne Amphibien (Lissamphibia, Haeckel 1866)
|
Systematik
|
Stamm Unterstamm
|
Chordatiere (Chordata, William Sweetland Dallas 1875) Wirbeltiere (Vertebrata, Cuvier 1812)
|
Überklasse Reihe
|
Kiefermäuler (Gnathostomata, Zittel 1879) Landwirbeltiere (Tetrapoda, Broili 1913)
|
(ohne Rang)
|
Moderne Amphibien (Lissamphibia, Haeckel 1866)
|
Ordnungen
|
- Froschlurche (Anura, Fischer von Waldheim 1813),
also Frösche, Kröten und Unken (etwa 6550 Arten = etwa 88 %)
- Schwanzlurche (Caudata, Fischer von Waldheim 1813),
also Salamander und Molche (etwa 670 Arten = etwa 9 % der Amphibien)
- Schleichenlurche (Gymnophiona , Müller 1832),
etwa 200 Arten = knapp 3 %
|
Allgemeines und Merkmale
|
Wissenswertes
|
Unter den Bezeichnungen Amphibien (Amphibia) oder Lurche werden alle Landwirbeltiere zusammengefasst, die sich, im Gegensatz zu den Nabeltieren (Amnioten), nur in Gewässern fortpflanzen können. In der Zoologie gelten diese Bezeichnungen für rezente Arten. Bei Amphibien verläuft die Individualentwicklung im Allgemeinen über ein im Wasser abgelegtes Ei, aus dem eine im Wasser lebende (aquatile), kiemenatmende Larve schlüpft. Diese Larve durchläuft eine Metamorphose, an deren Ende meist ein lungenatmendes erwachsenes Individuum steht, das zu einem Leben außerhalb von Gewässern befähigt ist. Der wissenschaftliche Name „Amphibia“ bezieht sich auf die beiden Lebensphasen vor und nach Abschluss der Metamorphose. Aufgrund ihrer Physiologie sind alle Amphibienarten aber auch im Erwachsenenstadium zumindest an Lebensräume mit hoher Luftfeuchtigkeit gebunden. Viele Lurche sind nachtaktiv, um sich vor Fressfeinden zu schützen und Wasserverluste über die Haut gering zu halten.
|
Arten im deutschsprachigen Raum
|
Deutschland weist 19 Arten und eine Hybride – auf. Dabei handelt es sich im Einzelnen um sechs Schwanzlurcharten und 14 Froschlurcharten. Der Status des Alpen-Kammmolches gilt derzeit als unklar. In der aktuellen Roten Liste Deutschlands wird die Art daher nicht mehr bewertet, sondern vorläufig nur noch als Neozoon betrachtet. Den gleichen Status hat hier der Nordamerikanische Ochsenfrosch, der sich in neuerer Zeit an manchen Stellen, insbesondere in Südwestdeutschland, mit Populationen etablieren konnte, die auf künstliche Aussetzungen zurückzuführen sind.
Die Amphibienfaunen der Schweiz und Österreichs unterscheiden sich vom Artenspektrum her nur geringfügig von Deutschland. In der Schweiz fehlen die Rotbauchunke, wahrscheinlich der Moorfrosch und die Knoblauchkröte; die Wechselkröte gilt als ausgestorben. Dafür kommen als zusätzliche Arten der Italienische Springfrosch und der Italienische Laubfrosch im Tessin vor. Dort ist außerdem eine weitere Unterart des Teichmolches anzutreffen (Lissotriton vulgaris meridionalis). Der Alpen-Kammmolch und der Seefrosch wurden allerdings vom Menschen eingeführt.
In Österreich fehlen gegenüber Deutschland der Fadenmolch und die Geburtshelferkröte; die Kreuzkröte ist hier vom Aussterben bedroht. Als zusätzliche Art finden sich der Donau-Kammmolch im Osten des Landes sowie der Alpen-Kammmolch; außerdem gibt es eine zweite Unterart des Moorfrosches, den Balkan-Moorfrosch.
|
moderne Amphibien
|
Die rezenten Amphibien mit ihren drei großen Untergruppen Froschlurche (Anura, Salientia), Schwanzlurche (Urodela, Caudata) und Schleichenlurche (Gymnophiona, Caecilia) werden auch als moderne Amphibien (Lissamphibia) bezeichnet. Sie sind, wie auch die modernen Reptilien, die Vögel und die Säugetiere, evolutionäre Nachfahren einer bestimmten Gruppe von Knochenfischen, die im Oberdevon ab etwa 380 Millionen Jahren damit begann, ihren Lebensraum auf die Landflächen in der unmittelbaren Umgebung von Binnengewässern auszudehnen. Daher werden die Amphibien zusammen mit Reptilien, Vögeln und Säugern in die Gruppe der Landwirbeltiere (Tetrapoda) eingeordnet.
Innerhalb der Landwirbeltiere gelten die Amphibien als die primitivste Gruppe, unter anderem weil sie bei der Fortpflanzung auf Gewässer angewiesen sind, weil einige Teile ihres Skelettes nicht verknöchern und aufgrund der relativ geringen Leistungsfähigkeit ihrer Lungen und ihres Herz-Kreislaufsystems. Darin unterscheiden sie sich von den „höheren“ Landwirbeltieren, den Sauropsiden (einschließlich Vögeln) und Säugetieren, die zusammen als Amnioten bezeichnet werden.
|
Körperbau
|
Amphibien haben ein breites Größenspektrum. Sie stellen mit kaum acht Millimeter Körperlänge bei einem ausgewachsenen Individuum der neuguineischen Froschgattung Paedophryne das kleinste bekannte Wirbeltier. Riesensalamander, die größten rezenten Amphibien, erreichen zwar bis zu eineinhalb Meter Länge, die meisten Arten kommen jedoch nicht über 20 Zentimeter hinaus. Die drei Großgruppen der Amphibien unterscheiden sich hinsichtlich ihres Habitus relativ stark voneinander. Dies ist nicht zuletzt mit unterschiedlichen Fortbewegungsweisen verbunden: Während Schwanzlurche sich an Land schreitend oder kriechend fortbewegen, sind Froschlurche auf eine springende Fortbewegung spezialisiert. Zudem klettern sowohl einige Schwanz- als auch einige Froschlurcharten auf Bäume. Einige wenige Froscharten können sogar kurze Strecken im Gleitflug zurücklegen. Viele Schleichenlurche bewegen sich hingegen im Boden grabend. Im Wasser schwimmen und tauchen Schwanzlurche schlängelnd unter Einsatz ihres Ruderschwanzes und Frösche mit Hilfe ihrer langen, kräftigen Hinterbeine.
Frosch- und Schwanzlurche haben einen flachen und relativ offenen, Schleichenlurche einen verhältnismäßig hohen, kompakten und keilförmigen Schädel. Als eines der bedeutendsten gemeinsamen Merkmale der modernen Amphibien, das sie zugleich auch von den frühen Amphibien, den „Ur-Lurchen“, unterscheidet, gilt der spezielle Bau ihrer Zähne: Eine meist mit Zahnschmelz überzogene Krone sitzt einer im Kieferknochen verankerten Basis aus Dentin, dem sogenannten Pedikel auf, wobei sich zwischen Krone und Pedikel eine schwach mineralisierte Zone befindet. Dieser Zahnbau wird als pedicellat bezeichnet. Der Zahnwechsel erfolgt mehrfach im Verlauf des Lebens (Polyphyodontie). Verglichen mit dem Grundbauplan der Landwirbeltiere sind im Schädel der modernen Amphibien zahlreiche Knochen verloren gegangen, auch solche, die bei modernen Reptilien in der Regel noch vorhanden sind. Dies Betrifft sowohl Elemente des Schädeldaches (Jugale, Postorbitale), des Gaumendaches (Ectopterygoid) und des Hirnschädels (Supraoccipitale, Basioccipitale, Basisphenoid) sowie das Epipterygoid. Bei Schwanzlurchen sind die beiden Gliedmaßenpaare eher gleich lang, bei Froschlurchen deutlich unterschiedlich lang ausgebildet. An jeder Hand befinden sich in der Regel je vier Finger, an den Füßen je fünf Zehen. Bei den Schleichenlurchen sind die Gliedmaßen vollständig zurückgebildet. Auch innerhalb der Schwanzlurche findet sich bei den Armmolchen und Aalmolchen eine partielle bzw. vollständige Reduktion der Gliedmaßen. Das knöcherne Rumpfskelett ist im Vergleich zu den Amnioten teilweise reduziert. So sind die Rippen allgemein kurz, bilden keinen richtigen Rippenkorb und ein Brustbein ist nicht vorhanden. Die Froschlurche, deren Habitus generell stark abgeleitet ist, haben oft überhaupt keine Rippen. Zudem weisen Froschlurche nur fünf bis neun Hals- und Rückenwirbel auf, während es bei den Schwanzlurchen mit ihrem eher konservativen Habitus zwischen 10 und 60 sind. Die Gelenkung zwischen Halswirbelsäule und Schädel erfolgt über eine paarige Hinterhauptskondyle – der ursprüngliche Zustand bei Landwirbeltieren ist ein einzelner medianer Condylus. Das Becken ist an den Querfortsätzen eines einzelnen Beckenwirbels angeheftet.
|
Haut und innere Organe
|
Die Haut ist dünn, nackt und kaum verhornt, feucht und glatt oder auch trocken-„warzig“, die Unterhaut ist reich an Schleim- und Giftdrüsen- sowie Pigmentzellen. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Atmung, beim Schutz vor Infektionen und Feinden sowie beim Wasserhaushalt. Amphibien trinken nicht, sondern nehmen durch die Haut Wasser auf und speichern dieses in Lymphsäcken unter der Haut und in der Harnblase. Durch die Harnblasenwand kann es später wieder dem Organismus zugeführt werden. Als Larven besitzen Amphibien Kiemen, als erwachsene Tiere einfache Lungen, die ebenso wie die Hautatmung und die Mundhöhlenatmung dem Gasaustausch dienen. Amphibien sind wechselwarm; das bedeutet, dass sie keine konstante Körpertemperatur aufweisen, sondern diese von der Umgebungstemperatur abhängt. Ihr Herz besteht aus zwei separaten Vorkammern und einer einheitlichen Hauptkammer ohne Scheidewand, das heißt Lungen- und Körperblutkreislauf sind nur teilweise getrennt. Der Darmausgang, die Exkretions- und inneren Geschlechtsorgane münden alle in einer einzigen bauchseitigen Körperöffnung, der Kloake.
|
Sinnesorgane
|
Für viele Arten sind die Augen wichtige Sinnesorgane und entsprechend gut entwickelt. Allerdings werden reglose Objekte nur unzureichend wahrgenommen. Das Mittelohr der Froschlurche und Schwanzlurche besitzt zwei potenziell schallleitende Knochenelemente: den Stapes (Columella) und das Operculum. Das Operculum ist in das Foramen ovale des Innenohrs eingepasst und der Stapes, ein einfaches Knochenstäbchen, berührt mit seinem „hinteren“ Ende (Fußplatte) das Operculum und kann mit diesem verschmolzen sein. Tatsächlich für die Schallleitung zuständig ist der Stapes jedoch nur bei den Froschlurchen, denn nur diese besitzen ein Trommelfell. Es steht, wie auch bei Reptilien und Vögeln, mit dem „vorderen“ Ende des Stapes in Kontakt. Bei Schwanzlurchen erfolgt die Schallwahrnehmung vor allem über die Vordergliedmaßen: Das Operculum ist über einen permanent angespannten Muskel (Musculus opercularis) mit dem Schultergürtel verbunden, wodurch Bodenvibrationen (Substratschall) zum Innenohr geleitet werden können. Dieser sogenannte Opercularapparat ist auch bei Froschlurchen vorhanden, dient dort aber möglicherweise nicht oder nur untergeordnet der Schallwahrnehmung. Bei Schleichenlurchen fehlt das Operculum, wahrscheinlich weil sie keinen Schultergürtel haben. Bei ihnen fungieren vermutlich die Körperhöhle und der Schädel als Schallleiter. Der Geruchssinn ist vor allem bei Schwanzlurchen recht hoch entwickelt. Ähnlich wie Fische besitzen auch die Larven sowie die im Wasser lebenden Arten der Amphibien ein Seitenliniensystem. Bei Larven von Schleichenlurchen und Salamandern sind Elektrorezeptoren ähnlich den Lorenzinischen Ampullen der Haie nachgewiesen.
|
Lautäußerung
|
Vor allem die Männchen vieler Froschlurche verfügen über ein Repertoire von Lautäußerungen zur Revierabgrenzung und zum Anlocken von Weibchen. Die entsprechenden Rufe erzeugen sie mittels Schallblasen, ihres Kehlkopfes und der Lungen.
|
Befruchtung
|
Fast alle Arten legen Eier, sogenannten Laich, in gallertigen Hüllen ab; einige betreiben eine komplizierte Brutpflege. Die Befruchtung findet vorwiegend erst außerhalb des Mutterleibes statt; die meisten Schwanzlurche praktizieren dagegen eine indirekte innere Besamung und Befruchtung.
|
Abhängigkeit vom Wasser
|
Zur Fortpflanzung müssen die meisten Amphibien das Wasser aufsuchen – auch an Trockenheit angepasste Arten. Die sich im Wasser entwickelnden Larven, die bei Froschlurchen Kaulquappen genannt werden, atmen zunächst mit Außenkiemen. Erst nach einiger Zeit tritt eine Metamorphose ein, in der sie sich hormongesteuert zum lungenatmenden, skelettgestützten Tier umformen, welches das Gewässer verlassen kann. Einige Arten oder Exemplare von Arten bleiben längerfristig oder sogar zeitlebens in einem Larvenstadium (sogenannte temporäre, partielle oder vollständige Neotenie, auch Pädomorphie). Sie leben dauernd aquatil, wie zum Beispiel der Axolotl. Nur sehr wenige, wie der im Gebirge beheimatete Alpensalamander, sind lebendgebärend (vivipar) und bringen bereits fertig entwickelte Junge zur Welt. Manche anderen Amphibien, wie etwa die Antillen-Pfeiffrösche oder viele Lungenlose Salamander, haben sich ebenfalls unabhängig von offenen Gewässern gemacht, indem bei ihnen eine direkte Larvenentwicklung innerhalb der Eier stattfindet. Hier schlüpfen also fertige Jungtiere aus den an Land abgelegten Eiern.
|
Metamorphose der Larven
|
Wichtiger Bestandteil der Metamorphose wasserlebender Larven ist die Rückbildung der Kiemen sowie die Verlagerung der Atmung zur Lunge und zur Hautoberfläche. Die Hautstruktur verändert sich, um an Land den Wasserverlust zu verringern. Es findet ferner eine Verknöcherung vormals knorpeliger Substanz sowie eine Entwicklung von Extremitäten statt – bei Molchlarven wird erst das vordere, dann das hintere Beinpaar sichtbar, bei Kaulquappen ist es umgekehrt. Der Ruderschwanz der Larven bildet sich in der letzten Phase der Metamorphose bei Froschlurchen allmählich ganz zurück; Schwanzlurche behalten diesen. Es entwickeln sich in der Regel Augenlider, außer bei manchen voll-aquatisch lebenden Formen und es entstehen außenliegende Trommelfelle – letzteres nur bei den Froschlurchen. Am drastischsten ist der innere und äußere Gestaltwandel zwischen Larve und metamorphosiertem Tier bei den Froschlurchen.
|
Nahrung
|
Während sich die Kaulquappen der Froschlurche in erster Linie pflanzlich ernähren, Detritus fressen oder auch an Aas gehen, sind Molchlarven und alle metamorphosierten Amphibien rein carnivor. Im Allgemeinen wird lebende Beute aufgenommen und im Ganzen verschluckt, vor allem Insekten, Gliedertiere, Weichtiere und Spinnen. Viele Arten verfügen zum Beutefang über eine im vorderen Mundbereich verwachsene, hervorschnellbare klebrige Zunge. Größere Amphibien können auch andere kleine Wirbeltiere überwältigen; Kannibalismus ist zudem nicht selten. Allerdings verhalten sich Amphibien aufgrund ihres wechselwarmen Stoffwechsels oft weniger als aktive Jäger, sondern sie verfolgen mehr eine Strategie des Lauerns oder der sich spontan bietenden Gelegenheit.
|
Fressfeinde
|
Lurche gehören zum Beuteschema vieler Tiere. Die erwachsenen Exemplare sind Nahrung vieler Säugetiere, Vögel und Reptilien, manchmal auch von größeren Wirbellosen. Abgesehen von ihren teilweise sehr wirksamen Hautgiften verfügen Lurche kaum über aktive Verteidigungsstrategien wie etwa scharfe Zähne oder Krallen. Oft vertrauen sie auf Tarnung, Verbergen oder Flucht, manchmal auch auf Imponierverhalten wie das Aufblähen des Körpers oder das Aufreißen des Maules. Laich und Larven im Wasser werden von „räuberischen“ Insektenlarven, von Fischen und Wasservögeln, aber auch von anderen Amphibien gefressen. Aus diesem Grund müssen Lurche für eine sehr große Nachkommenschaft sorgen, denn nur aus einem winzigen Bruchteil der produzierten Eier und Larven werden später geschlechtsreife Amphibien.
|
Literatur
|
- Günther E. Freytag, Bernhard Grzimek, Oskar Kuhn & Erich Thenius (Hrsg.): Lurche. In: Grzimeks Tierleben, Bd. 5: Fische 2, Lurche. Lizenzausgabe im dtv, München 1980, ISBN 3-423-03204-9
- Kurt Rimpp: Salamander und Molche. Ulmer, Stuttgart 1978. ISBN 3-8001-7045-0
|