Cerviden, Cervidae (Geweihträger)

Hirsche oder Geweihträger

Lateinischer Name 

Cervidae, Goldfuss 1820)

Systematik

Stamm 
Unterstamm 

Chordatiere (Chordata)
Wirbeltiere (Vertebrata, Cuvier 1812)

Überklasse 
Reihe 
ohne Rang 

Kiefermäuler (Gnathostomata)
Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Amnioten (Amniota)
Synapsiden (Synapsida)

Klasse 
Unterklasse 

Säugetiere (Mammalia, Linnæus 1758)
Theria (Parker & Haswell 1897)
Höhere Säugetiere (Eutheria, Huxley 1880)

Überordnung 
Ohne Rang 
Ohne Rang 
Ordnung 
Unterordnung 

Laurasiatheria (Waddell, Okada & Hasegawa, 1999)
Scrotifera (Waddell, Cao, Hauf & Hasegawa, 1999)
Cetartiodactyla (Montgelard et al., 1997)
Paarhufer (Artiodactyla, Owen 1848)
Wiederkäuer (Ruminantia, Scopoli 1777)

ohne Rang 
Familie 

Stirnwaffenträger (Pecora, Flower 1883)
Hirsche (Cervidae, Goldfuss 1820

Allgemeines und Merkmale

Wissenswertes 

Die Familie der Geweihträger umfasst mehr als 50 Arten, von denen unter anderem der Rothirsch, der Damhirsch, das Reh, das Ren und der Elch auch in Europa verbreitet sind. Darüber hinaus kommen Hirsche in Asien, Nord- und Südamerika und mit einem Vertreter in Afrika vor. Markantestes Kennzeichen der Hirsche sind die an Gestalt variantenreichen, meist nur von den Männchen getragenen Geweihe, die jährlich abgeworfen und neu gebildet werden.
Die hauptsächliche Nahrung der Tiere besteht aus Pflanzen, wobei weiche und harte Pflanzenteile im unterschiedlichen Maß konsumiert werden. Reine Grasfresser wie bei den Hornträgern kommen bei den Hirschen nicht vor, was mit der Ausbildung des Geweihs zusammenhängt. Das Sozialverhalten der Tiere ist sehr unterschiedlich und reicht von einzelgängerischen Individuen bis zur Bildung großer, weit umherwandernder Herden. Die Fortpflanzungsphase ist von charakteristischen Dominanzkämpfen geprägt.

Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erkannte man, dass sich die Hirsche auf anatomischen Weg in zwei große Gruppen einteilen lassen, wovon eine mehr oder weniger auf Eurasien, die andere auf Amerika beschränkt ist. In jüngerer Zeit konnte durch molekulargenetische Analysen diese Zweiteilung untermauert werden.

Das gemeinsame Merkmal aller Hirsche ist das Fehlen der Gallenblase und die Ausbildung eines Geweihs, das jährlich erneuert wird. Sie werden heute in zwei Unterfamilien mit insgesamt fünf Triben unterteilt, die sich unter anderem in der Anordnung der reduzierten Zehen, im Geweih und in Details des Schädelbaues unterscheiden.

·       Die Unterfamilie der Cervinae umfasst dabei die Cervini (Echte Hirsche) und die Muntiacini (Muntjakhirsche), beide Gruppen sind durch die „plesiometacarpale“ Zehenstellung charakterisiert.

·       Die zweite Unterfamilie, die Capreolinae, setzt sich aus den Capreolini, den Alceini den Rangiferini und den Odocoileini (Eigentliche Trughirsche) zusammen und entspricht der „Telemetacarpalia“-Gruppe.
Die Alceini und die Odocoileini eint wiederum das Vorhandensein von Interdigitaldrüsen (Drüsen zwischen den Zehen), während die Odocoileini, häufig auch als Neocervines bezeichnet, dadurch gekennzeichnet sind, dass das Pflugscharbein vollständig in die Nasenscheidewand eingegliedert ist und so die Choane, den hinteren Abschnitt der Nasenöffnung, senkrecht teilt.

Die Aufspaltung der Hirsche in die beiden Unterfamilien erfolgte laut molekulargenetischen Studien erst im Oberen Miozän vor rund 9 Millionen Jahren.

Körperbau 

Die Größe der Hirsche variiert erheblich: die Kopf-Rumpf-Länge schwankt zwischen 70 und 310 cm, die Schulterhöhe zwischen 30 und 190 cm und das Gewicht zwischen 5,5 und 770 kg. Der kleinste lebende Vertreter ist der Südpudu (Pudu puda), der größte der Elch (Alces alces). Bei den meisten Arten mit Ausnahme des Muntjak (Muntiacus muntjak) herrscht ein Geschlechtsdimorphismus hinsichtlich der Größe vor. Dabei sind beim Tenasserim-Muntjak (Muntiacus feae) oder beim Wasserreh (Hydropotes inermis) die Weibchen zumeist größer als die Männchen, bei allen anderen Vertretern wird das Männchen deutlich größer und schwerer als das Weibchen.
Auch die Körperform ist variabel, innerhalb der Familie können zwei generelle Körperbauten unterschieden werden.

  • Der eine umfasst Tiere mit einem gedrungenen Körperbau, kurzem Nacken, gerundetem Rücken sowie kräftigen Hinterbeinen und weniger gut entwickelten Vorderbeinen. Hierbei handelt es sich um meist kleinere Vertreter wie die Pudus, die Muntjakhirsche oder die Spießhirsche, die noch an urtümliche Paarhufer erinnern und nur kurze, spießartige Geweihe besitzen. Es sind häufig Bewohner dichter Wälder oder von Landschaften mit üppiger Vegetation, in der sie sich schnell springend fortbewegen können.
  • Daneben zeichnet sich der zweite Körperbau durch schlanke Tiere mit vergleichsweise langen Gliedmaßen und einem viel gegliederten Geweih aus. Die Angehörigen bewohnen überwiegend offenere Landschaften und stellen gute Läufer dar.

Bei beiden Körperbautypen ist der Schwanz eher stummelartig kurz. Das Fell besitzt bei den Waldbewohnern überwiegend eine tarnende braune oder graue Färbung, bei einigen Arten offenerer Landschaften wie dem Prinz-Alfred-Hirsch (Rusa alfredi) oder dem Axishirsch (Axis axis) hat sich ein gepunktetes Fellkleid herausgebildet, ansonsten treten häufig Akzentuierungen des Kopfes und des Hinterteils auf. Der Kopf ist in der Regel langgestreckt, die Ohren sind groß und aufgerichtet.
Darüber hinaus besitzen Hirsche drei Arten von Drüsen: Bei fast allen Vertretern sind Voraugendrüsen ausgebildet, zudem kommen außer bei den Muntjakhirschen Metatarsalbürsten an den Hinterbeinen vor. Die meisten Vertreter der Trughirsche verfügen zusätzlich auch über Interdigitaldrüsen.

Geweih 

Kennzeichnend für Hirsche ist das Geweih, das aus zapfenförmigen Knochengebilden („Rosenstöcken“) am Stirnbein (Os frontale) wächst. Das Geweih besteht aus Knochensubstanz, den größten Anteil bildet dabei Hydroxylapatit, ein kristallisiertes Kalziumphosphat, das gut 30 % des Geweihs ausmacht.
Die Form des Geweihs hängt vom Alter und der Art ab, bei manchen Arten sind es einfache, spießförmige Gebilde, bei anderen weist es weitverzweigte oder schaufelförmige Strukturen mit zahlreichen Spitzen auf. Das größte Geweih heutiger Hirsche besitzt der Elch mit einem Gewicht von bis zu 35 kg. Die großen und weitverzweigten Geweihe weisen häufig einen spongiosen Kern auf, der die Elastizität der gesamten Struktur erhöht.
Mit Ausnahme des Wasserrehs verfügen alle Hirscharten über Geweihe. Allerdings ist dieses nur beim Ren (Rangifer tarandus) auch bei beiden Geschlechtern ausgebildet, ansonsten ist es ein exklusives Merkmal der Männchen. Bei diesen dient es dem Imponierverhalten und Kämpfen um das Paarungsvorrecht.
Im Unterschied zu den Hörnern der Hornträger ist das Geweih keine permanente Bildung sondern wird im jährlichen Zyklus erneuert. Die Bildung ist dabei an den Testosteronhaushalt der Männchen gekoppelt (beim Ren das Estradiol). Während der Wachstumsphase wird das Geweih durch eine kurzbehaarte Haut, Bast genannt, mit Blut versorgt. Die Wachstumsrate ist dabei enorm und kann bei großen Hirschen wie dem Wapiti (Cervus canadensis) bei 2,8 cm täglich liegen oder beim Elch 417 g betragen, womit das Geweih eines der am schnellsten wachsenden Organe innerhalb der Säugetiere darstellt. Allerdings ist die Ausbildung des Geweihes sehr Substanz verzehrend, da teilweise Mineralien aus dem Skelett mobilisiert werden müssen, was bei einigen Arten zu einer zeitweiligen Osteoporose führt. Sobald es seine volle Größe erreicht hat, trocknet die äußere Hautschicht durch Versiegen der Blutzufuhr ein und juckt, weswegen sie abgestreift oder gefegt wird. Zurück bleibt eine dunkle und weitgehend abgestorbene Knochenstruktur, die mit dem lebenden „Rosenstock“ verbunden ist und über mehrere Monate getragen wird.

Das Geweih wird jedes Jahr nach der Paarungszeit abgeworfen und anschließend neu gebildet. Der Abwurf des Geweihs ist mit dem Absinken des Testosteronspiegels verbunden, wodurch kurzfristig Osteoklaste aktiviert werden, die den Knochen am „Rosenstock“ auflösen. Die anschließende Verheilung der Wunde ist wohl der Auslöser des nächsten Geweihwachstums. Zwischen Abwurf und Neubildung liegt bei den meisten Hirschen ein zeitlicher Abstand von einem bis zwei Monaten, bei den Echten Hirschen kann dies unmittelbar aufeinander folgen. Bei Arten mit fester Paarungszeit fällt dieses Abwerfen in eine bestimmte Jahreszeit (beim Reh und beim männlichen Rentier in den Spätherbst, beim weiblichen Rentier und den anderen europäischen Arten in den Spätwinter oder Frühling); bei Arten in tropischen Regionen gibt es keinen festen Zeitpunkt hierfür. Die Bildung des Geweihs setzt bereits im juvenilen Stadium ein und beginnt bei den Trughirschen und den Muntjakhirschen im ersten Lebensjahr, bei den Echten Hirschen ab dem zweiten Lebensjahr. Dabei bilden sich zuerst kleinere Spieße, die komplexen Geweihstrukturen entstehen mit dem zunehmenden Lebensalter.

Schädel 

Der Schädel besitzt allgemein einen langschmalen Bau. Der Tränen-Nasen-Gang (Ductus nasolacrimalis) ist gegabelt, am Vorderrand der Augenhöhle (Orbita) liegen zwei Tränenlöcher (Foramina lacrimalia). Die oberen Schneidezähne fehlen stets, im Unterkiefer sind pro Kieferhälfte drei vorhanden. Der obere Eckzahn ist bei Arten mit fehlendem oder kleinem Geweih (Wasserrehe, Muntjaks) vergrößert und ragt hauerartig aus dem Maul, bei den übrigen Arten ist er verkleinert oder fehlt ganz. Der untere Eckzahn ähnelt den Schneidezähnen und bildet mit diesen eine geschlossene Reihe. Pro Kieferhälfte sind drei Prämolaren und drei Molaren vorhanden, die eher niederkronig sind (brachyodont). Auf der Kauoberfläche ist hier ein mondsichelartiges, längsverlaufendes Schmelzmuster ausgebildet (selenodont). Es sind 32 bis 34 Zähne ausgebildet. Der Unterkiefer ist sehr kräftig und besitzt einen breiten Winkelfortsatz als Ansatzstelle für die Kaumuskulatur.

Vorderbeine 

Anatomische Ausbildung der Vorderbeine bei „Telemetacarpalia“ (links) und „Plesiometacarpalia“ (rechts)
Wie bei allen Paarhufern liegt die Mittelachse des Fußes zwischen den Strahlen III und IV, die vergrößert sind und als einzige den Boden berühren, die Tiere stehen also auf den Zehen 3 und 4. Die jeweils entsprechenden dritten und vierten Mittelhand- und Mittelfußknochen sind zum so genannten Kanonenbein verwachsen. Die erste Zehe fehlt völlig, die zweite und fünfte Zehe sind stark verkleinert und berühren den Boden nicht mehr. Der Grad der Reduktion der zweiten und fünften Zehen am Vorderfuß ist ein wichtiges Kriterium zur Unterscheidung der beiden großen Entwicklungslinien: Cervinae (Echte Hirsche und Muntjakhirsche) sind „Plesiometacarpalia“ (von griechisch πλησίον (plesion) = „nahe“ und μετακάρπιον (metakarpion) = „Mittelhand“), das heißt, dass die proximalen (der Körpermitte nahen) Teile der 2. und 5. Metacarpalia (Mittelhandknochen) vorhanden sind, die jeweiligen drei Fingerglieder sind ebenfalls ausgebildet, werden von den Mittelhandknochen aber durch eine große Lücke getrennt. Dagegen stellen die Trughirsche (Capreolinae; Eigentliche Trughirsche, Rehe und der Elch) „Telemetacarpalia“ (von griechisch τήλε (tele) = „fern“ und μετακάρπιον (metakarpion) = „Mittelhand“) dar, das heißt, dass nur die distalen Bereiche der Metacarpalia ausgebildet sind, die zugehörigen Fingerglieder artikulieren direkt mit den Mittelhandknochen. Form und Spreizbarkeit der Hufe sind abhängig von der bewohnten Landschaft und reichen von weiter auseinanderstehenden Hufen bei Bewohnern feuchter bis sumpfiger Biotope bis hin zu breiten bei solchen in schneereichen Gebieten.

Verbreitung 

Das natürliche Verbreitungsgebiet der Hirsche umfasst weite Teile Eurasiens und Amerikas, ihre höchste Vielfalt erreichen sie in Südamerika und Südostasien. In Afrika kommen sie nur im nordwestlichen Teil vor, in den Gebieten südlich der Sahara fehlen sie und werden dort durch die Hornträger ersetzt.
Vom Menschen wurden Hirsche in einigen Regionen eingeführt, in denen sie nicht heimisch waren, darunter in Australien, Neuseeland, Neuguinea und auf einigen Karibischen Inseln. Hirsche bewohnen eine Vielzahl von Lebensräumen. Der Großteil der Arten bevorzugt Wälder und Waldländer. Daneben sind einige auch an Waldrändern im Übergang zu offeneren Landschaften anzutreffen, nur wenige Vertreter wie das Ren oder der Pampashirsch (Ozotoceros bezoarticus) passten sich direkt an Offenlande an, andere Arten wie der Sumpfhirsch (Blastocerus dichotomus) oder das Wasserreh leben in Sumpf- oder Marschgebieten. Die Tiere treten dabei in Tiefländern wie in Hochlandlagen bis 5100 m auf und bewohnen tropische Klimate ebenso wie die arktische Tundra.

Lebensweise 

Hirsche sind standorttreu oder wandern regelmäßig. Strikt waldbewohnende Arten wie die Pudus, Mazamas oder der Schopfhirsch sind Einzelgänger und leben meist versteckt im Walddickicht. Fressfeinden entgehen sie durch schnelle Flucht mit weiten Sprüngen, was ihre oft stärkeren Hinterbeine ermöglichen. Die Tiere leben in Aktionsräumen, die beim Südlichen Pudu (Pudu puda) zwischen 15 und 20 ha, bei der Großmazama (Mazama americana) oder beim Chinesischen Muntjak (Muntiacus reevesi) bis zu 100 ha groß sein können. Die Reviere werden teils territorial verteidigt, zur Kommunikation mit Artgenossen und zur Markierung der Grenzen der Territorien kommen Sekrete der Drüsen am Kopf sowie an den Füßen und auch Urin zum Einsatz, die Lautverständigung ist meist minimiert. Die Territorialität kann bei schlechten Nahrungsbedingungen auch eingeschränkt sein und ist dann auf Dominanz reduziert. Paarbildungen treten nur während der Paarungszeit auf oder finden sich in Mutter-Jungtier-Gruppen. Bei einigen Arten gibt es auch eine nur zeitweilige Territorialität, die sich auf die Fortpflanzungsphase beschränkt, etwa beim Reh (Capreolus capreolus).

 Ernährung 

Hirsche sind allgemein Pflanzenfresser, deshalb nimmt die Nahrungsaufnahme einen großen Teil des Tagespensums in Anspruch. Die Tiere fressen phasenweise, wobei ein Tag je nach Größe des Magens zwischen fünf und elf Fressphasen aufweist. Dazwischen befinden sich ausgedehnte Ruhezeiten, in der die Nahrung verdaut und wiedergekäut wird. Die Tiere ernähren sich von unterschiedlichen Pflanzenteilen wie Blättern, Rinde, Knospen und Zweigen, aber auch von Früchten und seltener von Gräsern. Sie sind sehr anpassungsfähig, im Vergleich zu den Hornträgern bevorzugen sie aber generell eher weichere Pflanzennahrung, was auch durch die durchschnittlich niedrigeren Zahnkronen und somit eher brachyodonten Zähne angezeigt wird. Dadurch gibt es innerhalb der Hirsche keine wirklichen Grasfresser wie bei den Hornträgern, wodurch kein Vertreter an extrem trockene Landschaften angepasst ist. Eine rein grasfressende Ernährungsweise ist auch durch die Geweihbildung möglich, da Gräser sehr energiearm sind und zu wenige Mineralien enthalten, die für den Aufbau der vor allem größeren und schwereren Geweihe unabdingbar sind. Die Bewohner geschlossener Wälder mit noch relativ urtümlichen Körperbau wie die Muntjaks, Pudus und Rehe ernähren sich hauptsächlich von Blättern (browser), einige der Mazamaarten stellen Früchtefresser dar, wie es auch für die frühesten Formen der Hirsche und ihrer Vorfahren teilweise nachgewiesen ist. Der Anteil der Früchte kann dabei zwei Drittel der aufgenommenen Nahrungsmenge überschreiten. Die Blattfresser sind dabei eher opportunistisch und vertilgen eine große Vielfalt an Pflanzen, in der Regel aber nur die am leichtesten verdaulichen Pflanzenteile. Auf der anderen Seite stehen die Zackenhirsche, das Ren oder einige Edelhirsche wie der Wapiti und der Weißlippenhirsch, die zu einer grasfressenden Lebensweise tendieren (grazer). Allerdings nehmen auch diese zu einem gewissen Teil weichere Nahrung wie Wasserpflanzen, Kräuter oder Flechten zu sich. Der überwiegende Teil der Arten frisst eine gemischte Pflanzennahrung (mixed feeder) und kann so je nach Gegebenheit und teilweise jahreszeitlicher Verfügbarkeit weiche und harte Pflanzen verspeisen.
Zahlreiche Vertreter nehmen darüber hinaus auch tierische Nahrung zu sich, etwa Krustentiere, Vögel oder Fische. Des Weiteren ist das Benagen von Knochen oder auch Geweihresten bekannt, was häufig bei männlichen Tieren beobachtet werden kann. Das Verhalten trägt zum Ausgleich oder zur Erhöhung des Mineralhaushaltes während des Geweihwachstums bei und kann auch die manchmal damit einhergehende Osteoporose abmildern oder unterdrücken. Vor allem in temperierten und kalten Klimaten verbreitete Arten weisen einen jährlich ablaufenden Zyklus in der Nahrungsaufnahme auf, der unterschiedliche Mengen und Zusammensetzung beinhaltet. Dieser jährliche Zyklus beginnt im Frühjahr bei den Weibchen mit dem Ende der Tragzeit und dem Einsetzen der Milchproduktion für den Nachwuchs, was hohe Futtermengen erfordert. Männchen fressen sich in dieser Zeit einen hohen Anteil an Fett an, den sie im Herbst während der Brunftphase verbrauchen, in deren Verlauf sie kaum Nahrung zu sich nehmen. Im Winter konsumieren die Tiere allgemein eine geringere Nahrungsmenge, was mit einem Rückgang der Stoffwechselrate einhergeht und Energie spart für die Aufrechthaltung der Körpertemperatur.

Fortpflanzung 

In tropischen Regionen kann die Paarung das ganze Jahr über erfolgen, in den gemäßigten Regionen findet diese meist im Herbst oder Winter statt. Der Sexualzyklus variiert von 11 Tagen bei den Pudus bis zu 29 Tagen beim Axishirsch. Die weiblichen Tiere sind meist nur kurze Zeit empfangsbereit, die etwa 12 bis 24 Stunden dauert. Als zumeist polyöstrische Tiere findet der Eisprung zyklisch statt, bis die Befruchtung erfolgt. Eine Ausnahme bildet das Reh, bei dem die Paarung im Sommer (Juli/August) stattfindet, während der die Weibchen maximal 36 Stunden empfangsbereit sind; dabei unternehmen diese häufig ausschweifende Wanderungen weit ab von ihren Aktionsräumen, um die Möglichkeit der Paarung zu erhöhen. Die Tragzeit beträgt bei den Hirschen üblicherweise sechs bis neun Monate, auch hier stellt das Reh eine Ausnahme dar, da durch eine Keimruhe das Austragen des Nachwuchses auf zehn Monate verlängert wird. Die Wurfgröße liegt meist bei einem Jungen, nur bei den Trughirschen kommen zwei bis maximal fünf Jungtiere zur Welt. Diese sind Nestflüchter und tragen in der Regel ein geflecktes Fellkleid. Die Aufzucht wird meist vom Muttertier übernommen.

Die Männchen kleinerer Arten sind nur selten polygyn. Während der Fortpflanzungsphase bilden sie mit einem oder zwei Weibchen temporäre Paare, die nur zwei oder drei Tage zusammenbleiben. Bei stark polygynen Arten gibt es verschiedene Fortpflanzungsstrategien. So dringen die Männchen in die Territorien der Weibchen ein und machen in Form von Markierungen mit Duftsekreten oder starken Vokalisierungen mit sich wiederholenden lauten Brunftschreien auf sich aufmerksam. Andere bilden Harems und verteidigen diese gegen Konkurrenten („Platzhirsch“), führen Dominanzkämpfe in gemischten Gruppen oder kämpfen auf Balzplätzen um das Paarungsvorrecht. Dabei können innerhalb einer Art unterschiedliche Strategien vorkommen, etwa beim Damhirsch oder beim Rothirsch, die ihr Verhalten der gegebenen Situation anpassen und befähigt sind, ihr Muster innerhalb eines Tages zu variieren. Die Kämpfe der Männchen werden mit den hauerartigen Eckzähnen oder dem Geweih ausgetragen. Sie sind ritualisiert und folgen einer vorgegebenen Choreographie, die bei geweihtragenden Tieren das Absenken des Kopfes mit anschließendem Verhaken der Geweihe und gegenseitigem Umkreisen beinhaltet. Beim Sambar sind auch Kollisionskämpfe ähnlich den Steinböcken bekannt. In der Regel vermeiden die Tiere schwere Verletzungen. In stark dimorphen Arten ist das Paarungsrecht durch die Kämpfe meist den größeren und stärkeren Männchen vorbehalten, beim Damhirsch decken so 3 % der Männchen durchschnittlich drei Viertel der empfangsbereiten Weibchen.

Literatur

  • Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. 3. Ausgabe. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, ISBN 0-8018-8221-4.
  • Hubert Hendrichs und Roland Frey: Cervidae, Hirsche. in: Wilfried Westheide, Reinhard Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg – Berlin 2004, ISBN 3-8274-0307-3, S. 628-630.
  • S. Mattioli: Family Cervidae (Deer). In: Don E. Wilson, Russell A. Mittermeier (Hrsg.): Handbook of the Mammals of the World. Volume 2: Hooved Mammals. Lynx Edicions, Barcelona 2011, ISBN 978-84-96553-77-4, S. 350–443
  • Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9.
  • D. Müller-Using, Robert F. Schloeth: Das Verhalten der Hirsche (Cervidae), in: Handbuch der Zoologie, Bd. 8, Tbd. 10, S.733-792.