Pflanzenfresser oder Herbivoren
Pflanzenfresser oder Herbivoren (lat. herba ‚Kraut‘ und vorare ‚verschlingen‘) sind Wildtiere, die sich hauptsächlich von Pflanzen ernähren. Dazu gehören alles Schalenwild (außer Schwarzwild) Hase, Kaninchen oder die Nagetiere.
Je nach Definition werden Arten angefügt, die sich teilweise auch von Pilzen, Protisten oder Bakterien ernähren, sich somit also von der Biomasse ernähren.
Bei der Einteilung von Pflanzenfressern können zwei Ebenen unterschieden werden:
- Von der einzelnen Art her sind Pflanzenfresser solche Arten mit einer besonderen Anpassung an die Aufnahme pflanzlicher Substanz. Dies betrifft morphologische Anpassungen (z.B. besonders ausgebildete Zähne), physiologische Anpassungen (z.B. Symbiose mit Bakterien im Verdauungstrakt), Verhaltensanpassungen.
- Vom Ökosystem her sind Pflanzenfresser Primärkonsumenten innerhalb des Lebendfresser-Subsystems, d.h. nur bei Konsumption lebender Biomasse. Arten, die sich z.B. von abgestorbenem Laub am Waldboden ernähren, gehören zu den Saprobionten und werden nicht zu den Pflanzenfressern gerechnet.
Pflanzenfresser existieren in einer Vielzahl unterschiedlicher Spezialisierungen und Anpassungen. Je nach Ernährungstyp lassen sie sich in unterschiedliche Gruppen einteilen:
Nach der Ernährungsweise:
- Ektophage sind beißende oder kauende Arten, die z.B. Blätter abbeißen.
- Filtrierer sind aquatische Arten, die entweder passiv (durch Ausnutzen der Strömung) oder aktiv (indem sie selbst eine Wasserströmung erzeugen) Partikel aus dem Wasser ausfiltern und sich davon ernähren. Phytophage Filtrierer wären streng genommen nur solche, die sich ausschließlich oder überwiegend von einzelligen Algen (Phytoplankton) ernähren.
- Gallbildner geben hormonell wirkende Substanzen ab, die die Pflanze zur Bildung von Wucherungen (Pflanzengallen) anregen, von deren Gewebe sie leben.
- Minierer sind Arten, die im Inneren von Pflanzengewebe leben und z.B. Gänge in Blätter fressen, wobei die äußere Hülle (Epidermis) intakt bleibt.
- Pflanzensauger stechen lebendes Pflanzengewebe an. Je nach genutztem Gewebe weiter unterteilbar (Xylemsauger, Phloemsauger, Parenchymsauger).
- Weidegänger sind Arten, die flächige Wiesen oder Matten von Pflanzenarten abweiden.
Nach der Spezialisierung auf Pflanzenorgane:
- Blattfresser (Phyllophage)
- Blütenbesucher mit Ernährung von Pollen und Nektar. Dies umfasst symbiontisch angepasste Bestäuber.
- Holzfresser (Xylophage). Holz umfasst lebende und tote Substanz. Aufgrund der schwierigen Verdaulichkeit können viele Holzfresser dieses nur mit Hilfe von speziellen Pilz- oder Bakterienarten aufschließen, mit denen sie häufig symbiontische Lebensgemeinschaften bilden. Innerhalb der Pflanzenfresser sind sie deshalb ein Sonderfall und werden häufig gesondert betrachtet.
- Samenfresser ernähren sich v.a. von Samen oder Früchten.
- Wurzelfresser (Rhizophage)
Nach der Spezialisierung auf Pflanzenarten:
Generell werden Arten mit enger Spezialisierung auf eine oder wenige Pflanzenarten (Monophage), Arten mit mittlerer Spezialisierung, z.B. auf Pflanzenfamilien (Oligophage) und Generalisten (Polyphage) unterschieden. Spezielle Strategien haben z.B. grasfressende Arten.
Bei herbivoren Säugern ist das Körpergewicht ein ausschlaggebender Faktor für die Ökologie und damit für das Verhalten des Tieres (Allometrie). Eine einfache Anwendung des Körpergewichts ist beispielsweise die Berechnung des Stoffwechsel-Grundumsatzes mit Hilfe von Kleibers Gesetz.
Kleine herbivore Säuger wählen vor allem Pflanzen(teile) mit hohem Nährstoffgehalt als Futter aus. Mit steigendem Körpergewicht tolerieren die Herbivoren auch Pflanzen mit niedrigerem Nährstoffgehalt, benötigen aber dann sehr viel mehr Futtermasse. Dies wird auch als Jarman-Bell Prinzip bezeichnet.
Unabhängig vom Körpergewicht kann der Verdauungsapperat (Wiederkäuer oder Enddarmfermentierer) ebenfalls große Auswirkungen auf die Ökologie und das Verhalten eines Herbivoren haben. So haben z.B. Zebra (Enddarmfermentierer) und Gnu (Wiederkäuer), trotz eines ähnlichen Körpergewichts, völlig verschiedene geographische Verteilungsmuster und Auswahlmechanismen ihres Futters.
Die herbivoren Säugetiere zeichnen sich aus durch breite Schneidezähne, mit denen sie die Pflanzen abschneiden, reduzierte bis fehlende Eckzähne, molarisierte Prämolaren und Backenzähne, mit denen sie die Nahrung zermahlen. Transversale Kaubewegungen sind (auch wegen der fehlenden Eckzähne) möglich und notwendig zum Zermahlen. Auch kommen zahnfreie Abschnitte vor und oft ein frontal verlängerter Schädel.
Aufgrund der rauen Fasern von Gräsern haben grasfressende Säugetiere speziell ausgebildete, hypsodonte Zähne, die im Vergleich zu anderen Herbivorenzähnen höher sind und lebenslang nachwachsen können. So ist es den Grasfressern möglich, trotz des Abschleifens der Zähne durch ihre Nahrung, Gras dauerhaft als Hauptnahrungsquelle zu nutzen. Zwar ist Hypsodontie ein häufiges Merkmal von Grasfressern, doch da diese Art von Zähnen auch bei anderen Pflanzenfressern vorkommen kann, ist dies kein eindeutiges Indiz.
Dem hypsodonten Gebiss steht die brachydonte Bezahnung vieler Laubfresser gegenüber, die eher klein und nicht nachwachsend ist. Dieses Gebiss ist darauf ausgelegt Baumblätter und Zweige zu zermahlen. Würde ein brachydonter Pflanzenfresser dauerhaft rauhe Grasfasern verzehren, würden sich seine Zähne mit der Zeit abnutzen.