Braunbrustigel (Erinaceus europaeus)
Braunbrustigel [Glossar] |
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Kurzinfo |
Igel gehören erdgeschichtlich zu den ältesten noch existierenden Säugetierformen. In Westeuropa kommt hauptsächlich der Braunbrustigel vor. Sie können ein Alter von 6 bis 8 Jahren erreichen. Aufgrund seiner Stacheln ist er vor den meisten Räubern geschützt. Greifvögel können ihm durch ihre langen Schnäbel und Krallen gefährlich werden. Der Iltis hat eine eigene Taktik entwickelt um den Igel zu jagen: Er gräbt sich in die Erde und greift Ihn von unten an seiner Bauchseite an, dort wo der Igel trotz eingerolltsein ohne Schutz ist. |
Lateinischer Name |
Erinaceus europaeus, Linnaeus, 1758 |
Männliches Tier |
Igel |
Systematik
Klasse |
Säugetiere (Mammalia, Linnæus 1758) |
Überordnung |
Laurasiatheria |
Familie |
Igel (Erinaceidae, Fischer 1814) |
Kleinohrigel (Erinaceus, Linnæus 1758) |
Allgemeines - Merkmale – Kommunikation
Schutzstatus |
Deutschland: Besonders geschützte Tierart und darf nicht gefangen, verletzt oder getötet werden. |
Wissenswertes |
Zu den bekanntesten Eigenschaften der Igel zählt ihre Fähigkeit, sich zu einer Stachelkugel einzurollen. Das Einrollen des Körpers ist ein komplexes Zusammenspiel zahlreicher Muskeln, darunter des Musculus caudo-dorsalis, der von den Schwanzwirbeln zum Rücken verläuft und die Stacheln aufrichtetund eines Schliessmuskels (Musculus sphincter cuculli), der das Tier geschlossen hält und so die ungeschützten Körperteile verbirgt. Jeder Stachel ist zusätzlich mit einem Aufrichtemuskel (Musculus arrector pili) ausgestattet, der bei Kontraktion dafür sorgt, dass die Stacheln starr aufgestellt werden. Braunbrustigel rollen sich nicht bei jeder Gefahr vollständig ein, sondern begnügen sich anfangs mit einem Einziehen des Kopfes beziehungsweise dem Aufstellen der Stachelhaube des Kopfes. |
Chromosomenpaare: 44 |
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Aussehen / Körperbau |
Braunbrustigel haben kurze Gliedmassen, wobei die Hinterbeine etwas länger als die Vorderbeine sind. Die Füße enden jeweils in fünf Zehen, die mit Krallen versehen sind. Die zweiten, dritten und vierten Zehen sind annähernd gleich lang, die ersten und fünften sind kleiner und haben auch kleinere Krallen. Sie sind Sohlengänger, die die gesamte Fussfläche bei der Fortbewegung aufsetzen. |
Die Stacheln des Braunbrustigels bedecken die Kopfoberseite und den Rücken. Die Anzahl der Stacheln ist abhängig von der Körpergrösse. Ganz junge Igel weisen etwa 3000 Stacheln auf. Ein ausgewachsener, 600 Gramm schwerer Igel hat etwa 5000 und ein sehr großer Igel 7500 Stacheln. |
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Größe |
Ein ausgewachsener zweijähriger Braunbrustigel erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 22 bis 30 Zentimetern. |
Gewicht |
Schwankt in Abhängigkeit der Jahreszeit. Braunbrustigel, die ihr erstes Lebensjahr vollendet haben, wiegen in der Regel zwischen 450 und 700 Gramm. Braunbrustigel, die im Spätsommer mehr wiegen als dies, sind in der Regel älter. Sie können mehr als 1.500 Gramm wiegen, weil sie Fettreserven für das Winterhalbjahr aufbauen. Im Frühjahr, wenn die Fettreserven durch den Winterschlaf dagegen aufgebraucht sind, wiegen auch ältere Igel häufig nur noch 350 Gramm. |
Gebiss/Zahnformel |
I C P M |
Sinne |
Der Gesichtssinn ist schlecht entwickelt. Dieser spielt aber bei der Nahrungssuche eine geringe Rolle. Bei der Nahrungssuche verlassen sich Braunbrustigel vorrangig auf ihren Geruchssinn, wobei das Jacobson-Organ ihnen zusätzlich bei der Witterung von Beute oder Feinden hilft. Auch das Gehör ist gut entwickelt. |
Drüsen |
akzessorischen Geschlechtsdrüsen |
Kommunikation akustisch |
Beim Erkunden der Umgebung geben Braunbrustigel meist nur leise Schnauf- und Niesgeräusche von sich. Manchmal sind zusätzlich Schmatz- und Knackgeräusche zu hören, die darauf hinweisen, dass der Igel etwas zu fressen gefunden hat. Schnaufen und Boxen Abwehrlaute bzw. Drohen Keckern Beim Fressen Pfeifende Jungigel |
Kommunikation visuell |
Zusammenrollen |
Kommunikation olfaktorisch |
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Herkunft |
Einheimisch |
Verbreitung |
Braunbrustigel bewohnen große Teile West- und Mitteleuropas, darunter die Britischen Inseln, die Iberische Halbinsel, Frankreich, Italien samt einigen Mittelmeerinseln, Deutschland, die Schweiz und Österreich; daneben Teile des Baltikums, das nördliche Russland bis zum Uralgebirge, das südliche Finnland sowie das südliche Skandinavien. |
Braunbrustigel bevorzugen eine reich gegliederte Feldflur mit einem abwechslungsreichen Bewuchs aus Hecken, Gebüsch, Bodendeckern, Weideland, Feldraine mit Altgrasbestand oder Staudendickichten, kleinem Gehölz mit Totholzbeständen und Ruderalflächen. Auch an Laubwaldrändern sind sie zu finden. Gebüsche und Hecken, aber auch hohle Baumstämme und Felsspalten dienen ihnen als Ruheplätze. Sie meiden Nadelwälder, baum- und strauchlose Landwirtschaftsflächen und zu feuchte Habitate wie Moore. Braunbrustigel findet man heute überwiegend auf Streuobstwiesen, in naturnahen Gärten, Parks und Friedhöfen sowie in den durchgrünten Siedlungsbereichen in der Randzone von Städten und Dörfern. |
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Territorium |
Das Gebiet, das ein Männchen regelmäßig durchstreift, kann bis zu 100 Hektar auf dem Land umfassen. Weibchen dagegen nutzen Reviere, die selten größer sind als 30 Hektar. Braunbrustigel sind grundsätzlich sehr ortstreu. Sie nutzen innerhalb ihres Revieres mehrere Nester aus Laub oder Gras, die sie in unregelmäßigen Abständen aufsuchen. Braunbrustigel sind Einzelgänger, die ausserhalb der Paarungszeit Kontakt zu Artgenossen meiden. Sie weisen kein Territorialverhalten auf, sondern haben einander überlappende Reviere. Männchen legen während ihrer nächtlichen Nahrungssuche etwa zwei bis drei Kilometer zurück. Die nächtlichen Wanderstrecken der Weibchen sind dagegen etwas kürzer. Telemetrische Untersuchungen haben gezeigt, dass sie auch in der Lage sind, Flüsse schwimmend zu durchqueren. In der Regel stellen solche Fliessgewässer aber die Grenzen ihres Territoriums dar. |
Schlafplatz |
Den Tag verschläft der Igel in einem kugelförmigen Nest, das sich meist an geschützter Stelle in einem Laubhaufen befindet. Es können aber auch ein Komposthaufen, Nagetierbauten oder Bodensenken sein, die mit Reisig überdeckt sind. |
Lebensweise |
Wie alle Stacheligel ist auch der Braunbrustigel ein dämmerungs- und nachtaktiver Einzelgänger. Den Tag verschläft der Igel in einem Nest. Der Braunbrustigel hat zwei Hauptaktivitätsphasen. Die erste liegt zwischen 18 und 21 Uhr, die zweite zwischen 0 und 3 Uhr. |
Der Braunbrustigel hält einen Winterschlaf, der auch unterbrochen werden kann. Er zählt zu den echten Winterschläfern und verbringt während der nahrungsarmen Zeit rund fünf bis sechs Monate (von Oktober oder November bis April) in einem geschützten kugelförmigen Nest, als Winterquartier dienen ihm auch Reisig- oder Laubhaufen. Alle Stoffwechselvorgänge sind dabei stark vermindert. Die Körpertemperatur sinkt von rund 36 Grad auf ein bis acht Grad, die Atemfrequenz liegt bei ein- bis zweimal pro Minute, der Herzrhythmus sinkt auf fünf Schläge pro Minute. Während des Winterschlafes verlieren sie zwischen 17 und 26 Prozent ihres Körpergewichtes. Um den Winterschlaf zu überleben, müssen die Tiere mindestens 500 Gramm Körpergewicht haben. Ab 15 Grad Aussentemperatur wird der Winterschlaf beendet. |
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Nahrung und Nahrungserwerb |
Die Hauptnahrung des Braunbrustigels besteht vorwiegend aus Insekten, darunter Käfer wie die Laufkäfer, Ohrwürmer, Schmetterlingsraupen, sowie TausendFüßer und Regenwürmer. Nacktschnecken zählen nicht zu seiner bevorzugten Nahrung, sie machen lediglich zwischen einem und fünf Prozent aus. Gehäuseschnecken werden nur sehr selten von Igeln gefressen – sein Gebiss erschwert es ihm, die Schneckenhäuser aufzubrechen. |
Fortpflanzung – Entwicklung – Krankheiten
Zusammenleben |
Dämmerungs- und nachtaktiver Einzelgänger. |
Die Paarungszeit der Igel beginnt bereits Ende April und erstreckt sich bis Mitte August. Männliche Igel legen auf der Suche nach paarungswilligen Weibchen große Strecken zurück. Findet ein Männchen ein paarungsfähiges Weibchen, umkreist er es mit großer Ausdauer. Das Weibchen entzieht sich den Nachstellversuchen des Männchens, indem sie ihm unter Schnaufen und Fauchen die Körperseite zuwendet und mit aufgestellten Kopfstacheln und Stössen des Kopfes die Annäherungsversuche des Männchens abwehrt. Die Bewegungen der beiden Igel sind so auffallend, dass sie auch als „Igelkarussell“ bezeichnet werden. Dies kann sich über Stunden hinziehen. Kommt ein weiteres Männchen hinzu, nutzt das Weibchen häufig den kurzen Kampf zwischen den beiden Männchen, um sich zu entfernen. |
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ca. 35 Tage |
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Wurfzeit |
zwischen Juni und September. Der geburtenstärkste Monat ist August. |
Wurfnest |
Etwa einen Tag vor dem Wurf baut das Weibchen ein großes, mit trockenem Gras, altem Laub und Moos sorgfältig ausgepolstertes Nest. |
Nachwuchs |
Die Wurfgröße variiert zwischen zwei und zehn Jungigeln. Durchschnittlich kommen vier bis fünf Jungtiere zur Welt. |
Säugezeit |
Die Säugezeit beträgt ungefähr sechs Wochen. Nährstoff Menge je 100 g Trockensubstanz 45,2 g |
Selbständigkeit |
Im Alter von dreieinhalb Wochen verlassen die Jungen erstmals das Nest und versuchen selbständig Nahrung zu finden. |
Die Geschlechtsreife erlangen Igel mit etwa neun Monaten. |
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Höchstalter |
Belegt ist für in freier Wildbahn lebende Igel ein Lebensalter von bis zu sieben Jahren. |
Natürliche Feinde |
Zu ihren natürlichen Feinden zählen Raubtiere wie Marder und Füchse. Steinadler und Uhu zählen wegen ihrer kräftigen, langen Krallen zu den wenigen Tierarten, die in der Lage sind, auch einen fest eingerollten Igel zu töten. Der Dachs ist kräftig genug, um einen eingerollten Igel aufzurollen. |
Natürliche Verluste |
Während des Winters sterben viele Igel aufgrund mangelnder Fettreserven. |
Sonstige Verluste |
Strassenverkehr |
Infektionskrankheiten |
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Parasitäre Erkrankung |
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Bestands-zusammensetzung |
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Bestandsstatus |
Allein in Deutschland werden aber Jahr für Jahr etwa eine halbe Million Igel im Straßenverkehr totgefahren, was auf hohe Bestandszahlen hinweist. |
Bestandstrend |
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Sonstiges
Nahrungsmittel |
In vielen Regionen Europas wurde das Fleisch des Igels als Nahrungsmittel genutzt. Heute ist er nach dem deutschen Bundesnaturschutzgesetz − und durch ähnliche Gesetzgebung in den meisten Ländern Europas – eine besonders geschützte Tierart und darf nicht gefangen, verletzt oder getötet werden. |
Medizinische Verwendung |
In der Volksmedizin nutzte man Igel vielfältig. So wurden die Stacheln in altfranzösischen Liebeszaubern genutzt. Igelasche verwendete man als Haarwuchsmittel und gegen Epilepsie, Wassersucht und Blasenschwäche sowie gegen Pferdeerkrankungen. Nieren- und Blasensteine versuchte man mit getrocknetem Igelblut auszutreiben und Igelfett galt als Heilmittel bei Knochenbrüchen und offenen Wunden. Wurde der ganze Körper mit Igelfett eingerieben, sollte das gegen Erbkrankheiten helfen. Igel- und auch Fuchsschmalz auf einem Stock dagegen lockte angeblich alle Flöhe des Haushalts an. Igelgalle galt als Verschönerungsmittel, Igelleber als Mittel gegen Nierenkrankheiten und Krämpfe und Igelmilz wurde gegen Milzerkrankungen eingesetzt. |
Literatur
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