Kohlmeise (Parus major)
Die Kohlmeise (Parus major) ist eine Vogelart aus der Familie der Meisen (Paridae). Sie ist die grösste und am weitesten verbreitete Meisenart in Europa.
Die Kohlmeise zählt mit 13–15 cm Körperlänge zu den größeren Meisenarten und ist die grösste Meise in Europa. Die Flügellänge beträgt bei Männchen etwa zwischen 71 und 82 mm, bei Weibchen etwa zwischen 69 und 81 mm. Die Schwanzlänge des Männchens liegt bei 59–66, die des Weibchens bei 55–63 mm. Das Gewicht liegt zwischen 14 und 22 g. Der 11,5–13,5 mm lange Schnabel ist verhältnismäßig kräftig und schwärzlich hornfarben bis schwarz mit etwas helleren Kanten. Die Iris ist lebhaft rötlichbraun bis schwarzbraun. Die Beine und Füsse sind blaugrau bis schiefergrau. Die Geschlechter sind sich sehr ähnlich, lassen sich aber unter anderem aufgrund der Ausprägung des schwarzen Brustbands unterscheiden.
Bei adulten Männchen der Nominatform sind der Oberkopf, der obere Nacken, die Halsseiten, die Kehle und ein Band auf der Brustmitte glänzend blauschwarz. Wangen und Ohrdecken sind rein weiss und werden von den schwarzen Partien sauber eingefasst. Die Brust- und Bauchseiten sind schwefel- bis zitronengelb. Das schwarze Band in der Mitte erweitert sich zwischen den Beinen zu einem tiefschwarzen Fleck. Ein weissliches Band im Nacken trennt das Schwarz des Hinterkopfs vom Rücken und läuft nach hinten hin in ein grünliches Gelb aus. Rücken- und Schulterfedern sind sonst olivgrün mit gräulichem Anflug. Unterer Rücken, Bürzel und Oberschwanzdecken sind blaugrau mit grünlicher Tönung auf dem Bürzel. Längere Oberschwanzdecken und Steuerfedern sind dunkel blaugrau. Das mittlere Paar Steuerfedern trägt einen dunklen Schaftstrich, die übrigen schwarze Innenfahnen, das vorletzte zudem eine weisse Spitze und das äussere eine weisse Aussenfahne, deren Weissfärbung sich im distalen Teil bis zur Mitte der Innenfahne ausdehnt. Die Schwanzaußenseiten erscheinen daher weiss. Die Oberflügeldecken sind graublau, wobei die Kleinen und Mittleren Armdecken etwas matter gefärbte Zentren, die Innenfahnen der Grossen Armdecken und die Handdecken verdeckte schwarzgraue Zentren aufweisen. Die Grossen Armdecken zeigen zudem weisse Spitzen, die eine weisse Flügelbinde bilden. Die Federn der Alula sind schwarz mit feinen weissen Säumen. Die Hand- und Armschwingen und die Schirmfedern sind überwiegend schwarzgrau. Die Schirmfedern sind zudem breit und hell grünlich gelb gesäumt mit weissem Spitzensaum. Die Schwingen sind mit Ausnahme der beiden äußeren Handschwingen schmal graublau gesäumt und weiss bespitzt, wobei die Spitzen auf den Handschwingen nur schwach ausgeprägt sind.
Das Weibchen ähnelt stark dem Männchen, ist jedoch matter und oberseits dunkler gefärbt. Die Kopfplatte glänzt weniger stark bläulich und der Kehlfleck ist matter. Das schwarze Band, das auf den Halsseiten die Wangen einrahmt ist schmaler und manchmal unterbrochen. Das vertikale Brustband ist schmaler und matter gefärbt. Es wirkt oft an den Rändern unordentlicher und kann zum Bauch hin mit Weiss durchsetzt sein. Der dunkle Bauchfleck ist kleiner und an den Unterschwanzdecken oft mehr Weiss vorhanden. Die graublauen Säume der Armschwingen sind weniger auffällig.
Das Jugendkleid ähnelt dem adulten Jahreskleid, ist jedoch sehr viel weniger ausgefärbt. Die Kopfseiten, das helle Band im Nacken und die Flügelbinde sind gelblich oder schmutzig weiss getönt. Die Kopfplatte und die Nackenseiten sind dunkel olivbraun bis dunkelgrau und ohne Glanz. Das dunkelgraue Brustband läuft auf der hinteren Brust aus. Das Grossgefieder ist anstatt schwärzlich eher dunkelbraun. Die Säume der Oberflügeldecken und der Oberschwanzdecken sind matt olivgrün statt graublau. Die Unterschwanzdecken sind weisslich. Der Schnabel ist im Unterschied zu adulten Vögeln eher hornfarben mit gelben Kanten und Schnabelwinkel, die Iris grauer.
Die Geschlechter sind im Jugendkleid nicht leicht zu unterscheiden, die Unterschiede die im Adultkleid vorhanden sind, deuten sich jedoch bereits an. So ist das dunkle Band an den Kopfseiten unterhalb des Wangenfelds beim Weibchen nicht vorhanden, das Band auf der Brustmitte nur sehr schwach oder fehlend. Das Grossgefieder wirkt matter oder bräunlicher als beim Männchen. Bestes Unterscheidungsmerkmal sind aber die Säume der Handdecken, die beim Männchen bereits bläulich und deutlich abgesetzt sind, beim Weibchen jedoch diffus bräunlich, grünlich oder blassgrau sind.
Die Jugendmauser ist eine Teilmauser, bei der große Teile des Kleingefieders sowie Schirm- und Steuerfedern zu unterschiedlichen Anteilen vermausert werden. Der Umfang der Mauser bei Daumenfittich, Handdecken und Grossen Armdecken variiert ebenso wie der von Schirm- und Steuerfedern je nach geografischer Lage, wobei er bei skandinavischen Vögeln sehr gering, bei nordosteuropäischen gering und bei west- und mitteleuropäischen meist vollständig ausfällt. Auch Vögel aus Zweitbruten mausern weniger vollständig. Südliche und westliche Populationen haben die Mauser vor dem Zug abgeschlossen, nordöstliche mausern teils noch auf dem Wegzug.
Die jährliche Vollmauser adulter Vögel beginnt meist kurze Zeit nach der Nestlingsaufzucht, dauert etwa 70–100 Tage und liegt zwischen Mai und Oktober[6], beginnt aber in Mitteleuropa meist im Juni. Der individuelle Mauserbeginn kann sich innerhalb einer Population über zwei Monate erstrecken. Vögel mit Zweitbruten mausern meist später. Bei Weibchen ist der Mauserzeitraum oft kürzer als bei Männchen. In Fennoskandien setzt die Mauser wegen der verkürzten Brutsaison teils schon während der Jungenaufzucht ein und erfolgt wesentlich schneller.
Die Kohlmeise verfügt über ein ausserordentlich reiches, variables und differenziertes Repertoire an Lautäußerungen, das sehr gut untersucht ist.[7]
Der Reviergesang der Männchen ist eine Reihe metallisch reiner, hoher und lauter Motive aus typischerweise zwei, manchmal aber bis vier zu Silben verschiedener Tonhöhe,[7] die beispielsweise als tsi-da … tsi-da … tsi-da (Hörbeispiel) oder zi-da-tit … zi-da-tit … zi-da-tit (Hörbeispiel) wiedergegeben werden kann. Selten sind Mischstrophen aus z.B. abwechselnd zwei- und dreisilbigen Motiven oder unterschiedlichen Rhythmen.[8] Die Motive werden jeweils bis zu zehn mal wiederholt.[9] Mit längeren Pausen dazwischen wird die ganze Reihe mehrfach, bei intensivem Reviergesang im Frühjahr auch dauerhaft und nahezu ununterbrochen vorgetragen.[7] Nach mehreren Wiederholungen folgt oft ein Wechsel in ein anderes Motiv, wobei jedes Männchen ein Repertoire von 3–7, seltener von bis zu 18 verschiedenen Strophentypen hat.[9] Neben der Anzahl der Silben variieren Tempo, Lautstärke, Rhythmus und Betonung, Tonhöhe oder -folge sowie Anzahl und Abstand der Wiederholungen. Weitere Variationen sind für das menschliche Ohr kaum oder nur als „Unreinheiten“ wahrnehmbar, könnten aber die individuellen Haupterkennungsmerkmale sein.[8] Unterzieht man das Sonagramm einer feineren Analyse, lässt sich erkennen, dass eine scheinbar simple Strophe oft recht komplex aufgebaut ist und eigentlich aus bis zu sechs oder seltener bis zu zehn zusammengezogenen Silben bestehen kann.[9]
Der Reviergesang ist in seiner Ausprägung und Wirkung sehr gut untersucht. So können reviersuchende Männchen anhand des Gesangs die Populationsdichte eines Gebietes und auch – aufgrund von Strophenlänge und Umfang des Repertoires – die Kompetenz eines Rivalen bei der Revierverteidigung abschätzen. Männchen mit großem Gesangsrepertoire sind durchschnittlich dominanter und erfolgreicher. Revierinhaber reagieren kaum auf Gesang, der dem eigenen ähnlich ist, eher geringfügig auf den Gesang ihrer Nachbarn, wohl aber auf den fremder Eindringlinge. Weibchen suchen sich meist Männchen, deren Gesang dem des Vaters am wenigsten ähnelt.[10]
Einer der häufigsten Rufe, der meist vom Männchen und vor allem ausserhalb der Brutzeit zu hören ist, ist ein metallisches pink, das für sich allein kaum vom ähnlichen Ruf des Buchfinken zu unterscheiden ist. Es wird aber oft mehrfach wiederholt oder beispielsweise als zi-pink-pink-pink (Hörbeispiel) mit anderen typischen Lauten verbunden und ist dann einfacher der Kohlmeise zuzuordnen. Dieser Ruf kann als Alarm-, Warn- oder Lockruf vorgebracht werden. Auch im Revierverhalten scheint er eine bedeutende Rolle als Ersatz des Reviergesangs ausserhalb der Brutzeit zu spielen.[9][11]
Ein Ruf der Verärgerung oder Erregung bei herannahenden Bodenfeinden ist ein unmelodischer Laut, der zwischen einem schnarrenden trrrr oder einem gereihten dädädä liegen kann (Hörbeispiel). Er wird oft mit dem metallischen pink kombiniert.[11]
Brutverbreitung der Kohlmeise. Nicht verzeichnet sind hier die Brutgebiete der „Turkestanmeise“, dreier Unterarten, die nach neueren Erkenntnissen zur Kohlmeise gerechnet werden. Sie brüten in den Gebirgen und Oasen Mittelasiens südwärts bis in den Norden Afghanistans
Das transpalärktische Verbreitungsgebiet der Kohlmeise reicht über große Teile der gemäßigten Zone und Teile der Subtropen Eurasiens – von Portugal und den Britischen Inseln im Westen bis zum Dschagdy- und Burejagebirge im Osten Asiens. Es umfasst ganz Europa mit Ausnahme von Island, Orkney und Shetland, dem äußersten Norden und einigen Hochgebirgen Fennoskandiens sowie dem Norden Russlands. Die Nordgrenze der Verbreitung folgt im Westen Russlands noch dem Nordrand der mittleren Taiga, fällt aber nach Osten hin relativ kontinuierlich nach Süden ab, so dass sie im Bereich des Stanowoigebirges entlang des Nordrands der südlichen Taiga verläuft. In Nordwestafrika reicht das Areal durch die Atlasregion, im Mittelmeer schliesst das Vorkommen südwärts noch die Balearen, Sardinien, Sizilien, Kreta und Zypern ein. Im Bereich der östlichen Mittelmeerküste reicht die Verbreitung im Süden bis an den Sinai und nach Jordanien. In Asien verläuft die Südgrenze etwa durch den Süden Anatoliens, durch Aserbaidschan, zur südlichen Küste des Kaspischen Meeres und durch das Elburs-Gebirge, ein Ausläufer erstreckt sich über das Zagrosgebirge.[12] Unter Auslassung der mittelasiatischen Trockengebiete reicht das Areal über die Oasen, Wälder und Gebirge Mittelasiens bis in den Norden Afghanistans und zum Tian Shan.[13] Die dort lebenden Populationen wurden lange als eigene Art (Turkestanmeise, siehe unten) abgegliedert. Weiter östlich reicht die südliche Verbreitungsgrenze durch den Altai und südlich vom Changai- und Chentii- bis zum Grossen Hinggan-Gebirge sowie von dort bis in die Region von Chabarowsk.[12]
Bislang wurden der Kohlmeise meist 33 Unterarten zugerechnet, die in drei Subspeziesgruppen unterteilt wurden.[14] Drei weitere Unterarten wurden als eigene Art namens Turkestanmeise (Parus bokharensis) oder auch als vierte Subspeziesgruppe behandelt.[15] Untersuchungen der mitochondrialen DNA zufolge bildet die bokharensis-Gruppe (bokharensis, ferghanensis und turkestanicus) jedoch zusammen mit der major-Gruppe ein Monophylum, das sich von den beiden anderen Subspeziesgruppen deutlich abhebt. Dies wird auch durch Merkmale des Gesangs gestützt.[16] Heute werden die beiden ostpaläarktisch und indomalaiisch verbreiteten Gruppen daher als eigene Arten Parus minor und Parus cinereus anerkannt, die zusammen mit Parus major (inklusive bokharensis) eine Superspezies bilden.[17]
Bei den geografisch variierenden Merkmalen der Kohlmeise handelt es sich um die Pigmentierung der gelben Gefiederpartien und der Oberseite, die Ausdehnung der weissen Keile an Schwanzaußenseiten sowie Schnabel- und Körpergrösse. Bei der letzteren ist eine leichte Größenabnahme von Nord nach Süd festzustellen, die aber bezüglich der durchschnittlichen Flügellänge nur einen maximalen Unterschied von 7 mm ausmacht und von alters- und geschlechtsbedingter Variation überlagert wird.[14] In Europa und Nordafrika nimmt von Nord nach Süd auch die Ausdehnung der weissen Schwanzaußenseiten ab, die bei tunesischen Vögeln auf ein Minimum reduziert sind. Von Kleinasien nimmt die Größe derselben dann ostwärts bis in den Südiran wieder zu, vom Nordwesten bis in den Nordosten des Irans jedoch wieder ab.[18]
Bezüglich der Intensität der Gelbfärbung sind – mit Ausnahme der nordafrikanischen Unterart excelsus, die lebhafter gefärbt ist – die südeuropäischen Unterarten blasser als die Nominatform und die sehr ähnliche Unterart newtoni. Zudem ist eine klinale (allmähliche) Abnahme der Intensität ostwärts über die Länder des nahen Ostens zu verzeichnen.[18]
Bei der bokharensis-Unterartengruppe Zentralasiens fehlt eine Pigmentierung mit gelben Lipochromen ganz – die Vögel sind unterseits nahezu weiss bis hellgrau. Der weisse Keilfleck der Schwanzaußenseiten dehnt sich mindestens über die beiden äußeren Steuerfederpaare aus. Der Schwanz ist proportional etwa um ein Viertel länger als bei den Formen der major-Gruppe und gestuft, der Handflügel stumpf. Die Vögel dieser Gruppe werden von West nach Ost größer, die Schnäbel kräftiger.[19][20]
major-Gruppe
P. m. aphrodite Madarász, 1901 – südliches Italien und südliches Griechenland, Ägäis und Zypern
P. m. blanfordi Pražák, 1894 – südöstliches Aserbaidschan sowie nördliche Mitte und Südwesten des Irans
P. m. corsus O. Kleinschmidt, 1903 – Portugal, Südspanien und Korsika
P. m. ecki von Jordans, 1970 – Sardinien
P. m. excelsus Buvry, 1857 – von Marokko ostwärts bis in den Norden Tunesiens
P. m. kapustini Portenko, 1954 – südöstliches Kasachstan, äußerster Nordwesten Chinas und nordwestliche Mongolei, ostwärts bis nach Transbaikalien, zur Amurregion und zum Ochotskischen Meer
P. m. karelini Zarudny, 1910 – südöstliches Aserbaidschan und nördlicher Iran
P. m. major Linnaeus, 1758 – von Skandinavien südwärts bis zur nördlichen und mittleren Iberischen Halbinsel, Mittelitalien und Balkan, Kleinasien, Kaukasus, grösster Teil Aserbaidschans sowie südliches Mittel- und Westsibirien
P. m. mallorcae von Jordans, 1913 – Balearen
P. m. newtoni Pražák, 1894 – Britische Inseln, Niederlande, Belgien und nordwestliches Frankreich
P. m. niethammeri von Jordans, 1970 – Kreta
P. m. terraesanctae Hartert, 1910 – Libanon, Syrien, Israel, Jordanien und nordöstliches Ägypten
bokharensis-Gruppe (Turkestanmeise)
P. m. bokharensis Lichtenstein, 1823 – südliche Mitte Kasachstans, Usbekistan, Turkmenistan und äußerster Nordosten des Irans, ostwärts bis in den Norden Afghanistans
P. m. ferghanensis Buturlin, 1912 – Gebirge Tadschikistans und Kirgisistans, ostwärts bis in den westlichen Tian Shan
P. m. turkestanicus Zarudny & Loudon, 1905 – vom südöstlichen Kasachstan ostwärts bis in den äußersten Nordwesten Chinas, möglicherweise südwestliche Mongolei
Die meisten europäischen Kohlmeisen verbleiben im Winter in ihren Brutgebieten und entfernen sich selten weit von ihrem Territorium. In manchen Jahren kann es im Winterhalbjahr zu Invasionen nord- und osteuropäischer Vögel kommen.
Die Kohlmeise ist ein Teilzieher